Getagged: Veruntreuung von öffentlichen Geldern

Die ruchlose Arroganz eines Ministers

Anstatt des Ausdruckes „ruchlose Arroganz“ hätte ich auch wieder mit Recht das Wort „Willkür“ benutzen können, aber man wird variieren dürfen… Diesmal ist es der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro, der sich wieder aufführt wie der Herr über Leben und Tod dieser minderwertigen katalanischen Ureinwohner, die nur Verdruss bereiten. Zunächst die Vorgeschichte.

Wie schon mehrmals berichtet werden die von Spanien verfolgten katalanischen Politiker (im Exil, im Gefängnis – oder davon nur vorläufig entlassen -, und mit noch laufenden Verfahren), fast alle wegen Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung angeklagt. Die ersten beiden Anklagen sind in allen angehenden Verfahren vollkommen absurd wir hier in anderen Artikeln (hier, hier oder hier) schon erläutert würde. Der dritte Vorwurf betrifft die Verwendung öffentlicher Gelder für die Vorbereitung und Realisierung des Referendums von 1.10.2017. Lassen wir hier die Frage der Legalität oder Illegalität der Referendums beiseite. Laut dem spanischen Verfassungsgericht war es illegal. Nach mehreren internationalen Gesetzen, die auch von Spanien ratifiziert wurden und teil der spanischen juristischen Ordnung sind, war der Referendum vollkommen legal und die katalanische Regierung hatte jedes recht dafür Steuergelder zu verwenden (dazu bitte dieser Artikel von Prof. Axel Schönberger lesen!). Der Clou ist aber, dass das eben nicht geschah. Die spanischen Interventionsbeamten haben die Konten der katalanischen Regierung akribisch auf eine solche Verwendung rauf und runter inspiziert, und sind zu den Schluss gekommen, dass für die Finanzierung des Referendums kein Steuergeld verwendet wurde.

Damit ist jede Veruntreuungsanklage zu einem geschmacklosen Witz geworden. Da musste also Abhilfe getan werden um irgendwie doch den Katalanen die Suppe versalzen zu können. Und das ist folgendermaßen gelaufen: Zunächst hat die spanische Digitalzeitung „El Confidencial“ (in etwa „der Vertrauliche“) eine Liste von etwa 100 Personen und Firmen, die als starke Befürworter der Unabhängigkeit gelten veröffentlicht. Dazu muss man wissen, dass in spanischen Journalistenkreise gemunkelt wird, dass El Confidencial enge Verbindungen zu den spanischen Geheimdiensten hat und deswegen ist es nicht schwierig zu vermuten woher diese Liste kommen könnte.

Zweiter Schritt: Finanzminister Montoro hat dem katalanischen Rechnungshof mit Sanktionen gedroht, wenn man ihm nicht unverzüglich sämtliche Dokumentation, die mit eventuellen Verträgen der katalanischen Regierung mit den Namen, die auf der ominöse Liste stehen, zu tun haben könnten, vorlegt um feststellen zu können, ob dies ein Weg gewesen sein könnte um indirekt das Referendum zu finanzieren. Die technischen Dienste der Regierung haben diese Auskunft verweigert, mit dem Argument, dass die geltenden Finanzgesetze solche Aktion verbieten. Postwendend hat der Minister geantwortet, dass es Schnurzegal ist. Man hat einen Befehl erteilt und dem ist Folge zu leisten. Also Gesetze sind unwichtig wenn sie einem spanischen Minister im Wege stehen. Basta.

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Cristóbal Montoro

Jetzt geht die Hexenjagd los gegen diese unbescholtenen Leute, die das Pech gehabt haben den Verdacht und das Missfallen der spanischen Geheimdiensten irgendwie erregt zu haben. Ach ja… Und Spanien ist ein tadelloser Rechtstaat behaupten Herr Rajoy, Herr Juncker, Herr Tusk, etc. etc.

Liebe Leser: ich verzichte im Moment darauf weiter das aktuelle politische Geschehen in Barcelona zu kommentieren. Es ist eine schwierige und vertrackte Situation und das wirkliche Seltsame wäre es, wenn alles glatt verkaufen würde. Ich hoffe, dass im Laufe dieses Monats die Lage sich genug klären wird um einschätzen zu können ob und in wie weit die Unabhängigkeitsparteien über die eigenen Füssen gestolpert sind, oder ob, trotz der „Fundis“ in allen Parteien, es gelingen wird eine Einheitsposition aufzubauen als Grundstein für eine zukünftige, gemeinsame und wirksame Politik.

Rache, Willkür und andere „Normalitäten“

Ich hoffe auf das Verständnis meiner Leser, wenn ich nochmals über die spanische Justiz schreibe, über eine angeblich so demokratische und so unabhängige Institution, die schnell dabei ist ihren Ruf gründlich und dauerhaft zu beschädigen.

Die Freilassung eines Teils der inhaftierten katalanischen Politiker (gegen eine saftige Kaution von 100.000 €) kann für gutgläubige Ausländer ein möglicher Beweis sein, dass ich wahrscheinlich übertreibe, und dass alles nicht so schlimm sei. Irrtum. Die Freilassung setzt nur außer Kraft die präventive Inhaftierung, aber die Verfahren werden weiter verfolgt und die Möglichkeit von Langzeit Gefängnisstrafen (sowohl für die noch Inhaftierten wie für die jetzt Freigelassenen) bleibt bestehen. Mit dieser halben Maßnahme aber – Ausdruck der spanische Rache gegen die Hauptverantwortlichen für den Erfolg des Referendums – werden die spanischen Behörden nicht die peinliche Lage vermeiden können, vor den Wahlen am 21. Dezember Wahlkandidaten im Gefängnis zu halten wie eine gewöhnliche Bananenrepublik.

Fassen wie schnell nur vier von den „Freiheiten“ zusammen, die sich in wenigen Wochen die willkürliche spanische Justizmaschinerie erlaubt hat.

1. Die zwei katalanischen Aktivisten Jordi Sánchez und Jordi Cuixart (schon international als „die zwei Jordis“ berühmt geworden und jetzt weiter in Haft) wurden wegen eine Anklage von Aufwiegelung zum Aufruhr inhaftiert die unhaltbar ist wie ein Video ganz im Gegenteil beweist. In diesem sieht man wie die zwei Jordis versuchen, die empörten Bürger zur Mäßigung zu bewegen und die Agenten der paramilitärischen spanischen Polizei, die in das katalanische Wirtschaftsministerium eingedrungen waren, den Auszug zu gestatten.

2. Die Mitglieder der katalanischen Regierung wurden der Rebellion angeklagt, nach einem Artikel des Strafgesetzbuches, der seinerzeit wegen der Erinnerung an den Putsch der Armee 1936 und den gescheiterten Putsch vom Februar 1981 verfasst wurde. Wie ich schon mal schrieb, macht die Anklage nur Sinn, wenn man Wahlzettel als gefährliche Waffen ansieht.

3. Die zusätzliche Anklage gegen Veruntreuung von öffentlichen Geldern (die für den Referendum verwendet wurden) ist nicht nur absurd, weil Volksbefragung und Veruntreuung zwei Begriffe sind, die in diesem Kontext sich gegenseitig ausschließen, sondern auch wenn man bedenkt, dass seit 2015, der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro die katalanischen Finanzen kontrolliert. Zusatz: Cristóbal Montoro erklärte noch am 31.08.2017: „Bis zum heutigen Tag erhielt die Generalitat [die katalanische Regierung] nicht einen Euro aus dem Landeshaushalt zur Finanzierung des Referendums am 01. Okotober 2017.“

4. Die katalanischen Minister werden auch wegen Aufwiegelung zur Aufruhr angeklagt. Dafür müsste man aber beweisen, dass sie konkrete Anweisungen gaben, um das normale Funktionieren des spanischen Staates zu verhindern. Und das ist nie geschehen.

Und wie kann man sich wundern, wenn die Justiz so „freihändig“ arbeitet, dass auch die Regierung die eigenen Gesetze nach Lust und Laune „interpretiert“, und dass sie den berühmtberüchtigten Artikel 155 der Verfassung als Freibrief nimmt, der ihr absolut aller erlaubt, obwohl das keineswegs so ist?

Ministerpräsident Rajoy meint, dass mit dem 155 die Normalität nach Katalonien zurückgekommen ist. Auch wenn man von der Seite vieles gewohnt ist, wundert man sich wieder über so viel Verlogenheit. Die katalanische Verwaltung ist fast paralysiert, weil für jede kleine Entscheidung, auch des kleinsten Abteilungsleiter, die Erlaubnis aus Madrid geholt werden muss, was sogar oft Reisen nach Madrid zu Lasten des Steuerzahlers bedeutet.

Das Kollektiv „Öffentliche Diener Kataloniens“ hat eine Studie veröffentlicht welche die vielen Schäden aufzählt (und weiter aufzählen wird), die die spanische Intervention in der katalanische Verwaltung verursacht. Unter anderem sind zweiundneunzig öffentliche Verträge lahmgelegt; hunderte Sozialvereine, die schon genehmigte Subventionen nicht empfangen können, und jetzt fehlen für Miethilfen, für Hilfe an Behinderten und verarmte Familien; über 70 parlamentarische Gesetzesvorlagen, die nicht weiter bearbeitet werden können (mehr Information hier auf Englisch). Dazu kommt die Schließung der Außenbüros der katalanischen Regierung (bis auf das in Brüssel), die mit viel Erfolg die Interessen der katalanischen Wirtschaft im Ausland vertreten hatten. Auch hat man der Hafenverwaltung Barcelonas verboten, Handelsmissionen im Ausland zu etablieren. Dazu kommt (und das ist für die Katalanen keineswegs eine unbedeutende Kleinigkeit), dass alle Verwaltungsdokumente für die Interventionskommissare nicht mehr auf katalanisch geschrieben werden dürfen, sondern direkt auf spanisch oder übersetzt dazu, was noch mal neue Kosten verursacht. Das ist also die „Normalität“, die der spanischer Ministerpräsident feiert.

Die Demokratie erleidet in Spanien einen Rückschlag nach dem anderen. Und die EU-Institutionen verhalten sich wie die berühmten drei chinesische Affen. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, auch wenn die scheinbar unvermeidlichen „politischen Notwendigkeiten“ einen Verrat an den Prinzipien und Werten der Union bedeuten.

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P.S.: Hier das letzte Schreiben von Dr. Prof. Axel Schönberger zum empfehlen: https://www.change.org/p/sergio-mattarella-presidente-della-repubblica-italiana-presidente-della-repubblica-italiana-solidarit%C3%A4t-mit-katalonien-f%C3%BCr-das-recht-auf-friedliche-selbstbestimmung/u/22095352