Die Zukunft des katalanischen Konflikts (1)

Am Ende meines letzten Artikels vom 7.05. behauptete ich, dass nach Abflauen der Pandemie der katalanische Konflikt stärker denn je wieder präsent sein würde. Die Frage ist, wie es geschehen wird, und welche Lehren die Unabhängigkeitsbewegung aus den vergangenen Fehlern und Ereignissen für die Zukunft gelernt hat.

Aber nicht nur die Katalanen sollen ihr Verhalten anders ordnen, sondern auch die europäischen Institutionen sollten in Hinsicht auf dieses europäische Problem das auch tun. Gestatten Sie mir, lieber Leser, bevor ich zum eigentlichen Thema komme, einen Vergleich, der alles andere als übertrieben ist. Die Verabschiedung eine Gesetzes durch den chinesischen Volkskongress, das praktisch die Autonomie Hongkongs außer Kraft setzt, hat überall scharfe Kritiken hervorgerufen. Unter anderem kann man im FAZ vom 23.05. („Hongkongs düstere Zukunft“) folgendes lesen: „…Das zeigt, dass Peking ohne Bedenken bereit ist, auch feierlich geschlossene internationale Verträge zu brechen. Potentielle Vertragspartner Chinas sollten sich das merken“. Für die Europäer, aber, sollte auch ein Motiv für Sorge und Empörung sein, wenn die Regierung in einem Staat der EU bei der Respektierung von Pakten und Vereinbarungen sich auch als unzuverlässig zeigt. Und das hat Spanien wiederholt getan, ohne dafür die kleinste Rüge der Europäer zu bekommen. Was heißt  das konkret?

Erstens (wie schon hier und anderswo oft berichtet) hat Spanien die Internationale Pakte für Menschenrechte sehr willkürlich interpretiert und im Falle Kataloniens mehrmals krass verletzt. Zweitens, haben die spanische Regierung und Justiz die spanische Verfassung nach Lust und Laune interpretiert und sowohl mit der Verfassung wie mit der eigenen Strafgesetzordnung genauso willkürlich verfahren und verletzt. Drittens, die spanische Regierung (besonders die jetzige aber nicht nur diese) hat (mehrmals und sehr rasch) geschriebene wie wörtliche Vereinbarungen wiederholt gebrochen oder nicht mal eingehalten und das nicht nur in Bezug auf Katalonien, wie die jetzigen Volten der Regierung Sánchez zeigen (Einzelheiten in diesem Artikel von Ralf Streck: https://www.heise.de/tp/features/Alarmzustand-in-Spanien-verlaengert-Sanchez-auf-bruechigem-Boden-4726128.html

Das alles ist der Grund, den man unbedingt berücksichtigen muss, wenn man verstehen will warum sogar jene Unabhängigkeitsbefürworter, die immer noch „Pragmatiker“ sein wollten, auf einen ehrlichen Dialog mit Spanien noch hofften und jetzt auch vor den Kopf gestoßen sind, auch das Vertrauen in jedes Wort und jede Versicherung der spanischen Machthabern verloren zu haben scheinen.

Und das sei jetzt auch am Rande erwähnt: in spanischen Regionen wo früher Separatismus die Sache einer folkloristischen Minderheit war, bekommen die Trennungsgedanken schon einen regen Zulauf, die früher undenkbar gewesen wäre. Das auch, aber nicht nur, weil die katastrophale Handhabung der Pandemie seitens der Zentralregierung immer wieder die Bitten und Empfehlungen der regionalen und lokalen Behörden überheblich ignoriert oder viel zu spät aufgenommen hat. Das Gefühl miserabel regiert zu werden und von der Opposition nicht besser regiert werden würde, viele Spanier angeblich auf den Gedanken bringen, dass man allein nicht schlimmer dastehen würde als jetzt. Der spanische Nationalismus sollte einen Satz vom ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Gustav Heinemann beherzigen: „Wer nichts ändern will, wird sogar was er behalten will verlieren“.

Aber um wieder auf das eigentliche Thema zu kommen, die Zukunft der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, hat jetzt eine Debatte stattgefunden, die viele Hinweise auf die erwähnte Zukunft gibt. In dieser Debatte von der katalanische digitalen Zeitung Vilaweb organisiert, als Videokonferenz durchgeführt und von dem Direktor der Zeitung Vicent Partal moderiert, konnten die Abonnenten der Zeitung Fragen an den legitimen katalanischen Präsidenten und jetzigen EP-Abgeordneten Carles Puigdemont stellen. Den Tenor der meisten Fragen könnte man in den Satz resümieren: „Was nun?“. Und da Präsident Puigdemont eine der wichtigsten und unentbehrlichsten Akteure im ganzen Konflikt ist (wie die Massenkundgebung in Perpignan am 29.02.20 über jeden Zweifel gezeigt hat) wird die nächste Folge seinen Ausführungen gewidmet sein, die auch eine Antwort auf das „Was nun?“ so vieler Katalanen sind.

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Ein Kommentar

  1. Michael Thiel

    Lieber Pere Grau Rovira,
    wer mit den Katalanen schon so verfährt, wie Du beschrieben hast, der verfährt auch mit anderen Völkern, wie den Basken, Galiciern und Kanaren so. Ich hoffe die Katalanen, Basken, und Galicier können ihren Weg zu unabhängigen Republiken innerhalb der EU gemeinsam gehen. Wünsche nicht nur viel Erfolg, sondern werde nach Kräften Unterstützung leisten. Den Kanaren wünsche ich viel Erfolg in der EU zu bleiben, und nicht mehr von Spanien unterjocht zu werden. Beste Möglichkeit für die Kanaren: Referendum zum Verlassen Spaniens und Angliedern an Portugal. Madeira und die Azoren sind ja in der Nachbarschaft!
    Solidarische Grüße
    Michael Thiel aus Hamburg,Germany

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