Der Dreck unter dem Teppich

Auf die Gefahr hin manchen Lesern wie ein lästiger Brummer auf die Nerven zu fallen, wiederhole ich den Satz, der sich schon fast wie ein ständiges Mantra anhört: bei aller Aufmerksamkeit, die die großen Krisen verdienen, sei es Belarus oder Hongkong, Erdogan oder Bolsonaro, Trump oder Putin, verlieren Sie, bitte, Katalonien nicht aus den Augen. Und übersehen Sie bitte auch nicht den vielen Dreck, der unter dem Teppich der mangelhaften spanischen Demokratie liegt.                                                                                                                                       Gewiss. Die Pandemie beeinträchtigt den mächtigsten Hebel der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung: die massiven Demos auf den Straßen überall in Katalonien. Aber zu glauben, wie manche es tun, dass jetzt die Katalanen schon resigniert haben ist pures Wunschdenken, dass mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat .    Und in diesem Herbst wird es sich beweisen, dass die Katalanen neue Wege finden werden um den Ruf nach Unabhängigkeit weiter unüberhörbar zum Ausdruck zu bringen.  Dazu, dass dieser Ruf nicht schwächer wird, trägt wie immer die spanische Politik ständig bei. Die spanischen Machthaber, was Katalonien betrifft, missachten immer wieder nicht nur die eigenen Gesetze, sondern sogar Grundregeln der Demokratie. Und ich möchte hier das letzte Beispiel darlegen.                                                                                                                                        In einem demokratischen Land sind, für das was in einem Parlament debattiert und beschlossen wird, einzig und allein die vom Volke gewählten Abgeordneten verantwortlich. Und das gilt auch selbstverständlich für das katalanische Parlament. Die Beamten , welche das Parlament zum funktionieren braucht, sind von Amtswegen verpflichtet, die Anordnungen des Parlamentspräsidiums zu befolgen, wenn sie das nicht tun, machen sie sich strafbar. Es ist nicht an Ihnen zu entscheiden über Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Parlamentsbeschlüsse.                                                                                                                  Da aber  diese Beschlüsse erst effektiv werden, nachdem sie in dem Amtsblatt des Parlaments veröffentlicht werden, hat das spanische Verfassungsgericht diese Veröffentlichung verboten, wenn der Gegenstand, nach ihrer willkürliche Meinung, die spanische Verfassung verletzt. So geschehen jetzt mit einem Entschluss des Parlaments, der die spanische Monarchie ablehnt und Katalonien zu einem republikanischen Gebiet  erklärt. Das so etwas den spanischen Machthabern nicht schmeckt ist verständlich, aber wenn überhaupt hätten sie dann die katalanischen Abgeordneten zur Verantwortung ziehen sollen. Stattdessen haben sie die seit langem stattfindenden Strafandrohungen  gegen katalanische Beamte verstärkt, insbesondere gegen den Generalsekretär des Parlaments, dessen Arbeitsbereich die Veröffentlichung  der Gesetze und Beschlüsse einschließt. Der Personalrat der Parlamentsbeamten hat eine Note veröffentlicht, in welchem er „jeden Druck auf die Beamten des Parlaments von Katalonien ablehnt“, der sich in „ständigen Androhungen von Strafverfahren ausdrückt“.                                                                                                                              Diese Art durch die Hintertür die Unabhängigkeit der gewählten Volksvertreter mit einer Vorzensur durch eingeschüchterte Beamten zu kontrollieren, ist eine der vielen Wege, welche die spanischen Machthaber benutzen um die direkte Kontrolle der katalanischen Institutionen zu behalten, die sie durch die (auch willkürliche) Anwendung des Artikels 155 der Verfassung erreicht hatten, und nicht wieder aufgeben wollen. Darüber berichten aber nicht diejenigen, welche jede Einzelheit über Ungarn oder Polen unter die Lupe nehmen. Und so wird der Dreck unter dem spanischen Teppich immer dicker.                                                                                     Auch einer der vielen Gründe dafür, dass so viele Katalanen lieber heute als morgen aus Spanien austreten wollen, ist die Unfähigkeit vieler spanischen Behörden, an der ganz Spanien leidet. Ein Beispiel davon ist das eklatante Versagen der Administration die von der spanischen Regierung mit großem Pomp angekündigten Hilfen an die wegen der Pandemie in Not geratenen Bürger zu organisieren und zu verwirklichen. Das ganze Schlamassel kann man hier lesen:  https://www.heise.de/tp/features/Das-Sozialgeld-wird-niemand-erhalten-4878266.html                                                                                                                          Wenn in Deutschland so was geschehen würde, könnte der Aufschrei sogar zu einer Regierungskrise führen. Aber Spain is different.                                                                 P.S. Ich bitte den geschätzten Leser für die schlechte Aufmachung des Artikels um Entschuldigung. WordPress hat das ganze System „verbessert“ und alte Dinosaurier wie ich kommen damit nicht klar…

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