Ein Schaufenster der Unfähigkeit

Die spanische Politik (nennen wir es so…) gibt zur Zeit ein beklagenswertes Bild, das vor allen Dingen eine erschreckende Unfähigkeit zeigt, die wichtigsten Probleme des Landes zu lösen. Und in erster Stelle gerade der größte davon: der Konflikt mit Katalonien.

Stellen wir uns vor, was ein deutscher Politiker tun würde, wenn er/sie Regierungschef  werden wollte, und auf eine Koalition mit anderen Parteien angewiesen wäre. Zweifellos würde er/sie ausgiebige Konsultationen mit den Parteien führen, welche für eine solche Koalition in Frage kämen. Und er/sie würde an die Grenze von Konzessionen gehen, die die eigene Partei erlauben könnte. Was tut aber der geschäftsführende spanische Ministerpräsident? Erst lässt er Wochen verstreichen, ohne ernsthaft  mit seinen möglichen Regierungspartnern zu verhandeln, und in seiner Rede  vor der Abstimmung  im Parlament stößt er sie überheblich vor den Kopf. Ergebnis, zweimal hintereinander ist seine Nominierung gescheitert.

Und nochmals: was würde ein deutscher Politiker tun, angesichts eines Problems mit einer vergleichbaren Bedeutung mit dem katalanischen Konflikt? Er/sie würde bestimmt ein Programm verkünden, um das Problem zu lösen. Was tut aber Pedro Sánchez? In seiner zweistündigen Rede erwähnt er mit keiner Silbe auch nur das Wort Katalonien. Und als in der Frage/Antwort Stunde darauf angesprochen wird meint er, dass alle wirtschaftlichen und sozialen Probleme, wovon er gesprochen habe, auch Katalonien so gut wie alle anderen Regionen Spaniens betreffen, daher braucht er nicht extra über deren Wirkung in Katalonien zu reden.

Und dann, als der Fraktionssprecher der katalanischen Republikanische Linke (ERC) ihn um genauere Angaben bittet über eine mögliche Lösung des Konflikts, fragt Sánchez ihn (wörtlich) „ob er aus der Repression nichts gelernt hat“.

Das sollten alle europäische Politiker genau registrieren, die noch glauben könnten, dass Pedro Sánchez Spanien auf sicheren Gleisen führen kann als bisher. Auf das größte Problem des Landes ist seine einzige Antwort: Repression, weil er eben keine Ahnung hat, wie er aus der Sackgasse rauskommen kann. Und er weiß auch bestimmt, dass eine demokratische, friedliche Lösung, von der gegen Katalonien aufgehetzten spanischen Bevölkerung als Verrat angesehen würde.

Und so ist die Unfähigkeit und der Mangel an staatsmännischen Mut der leitenden spanischen Politiker der Nährboden für die weitere Verschlimmerung der Lage.

Andererseits ist die Weisheit bei den katalanischen Parteien auch nicht viel größer. Man ist sich nicht einig welche Strategie und Taktik besser ist, um die jetzige Sackgasse zu überwinden, und mit ihrer Uneinigkeit entfachen sie den Zorn der Bevölkerung. Diese aber bleibt nicht untätig. Unter anderem ist eine Vereinigung ins Leben gerufen worden, deren Zweck alles andere als resignativ ist. Es handelt sich um das „Bürgerliche und Soziale Forum für eine Verfassungsdebatte“. Ihr Ziel ist nicht die Redaktion eines Projektes für die Verfassung einer künftiger katalanischer Republik, sondern zu erkunden, was die Mehrheit der Katalanen in eines Verfassung gerne sehen würde. Das Forum besteht aus vielen kleinen „Territorialen Gruppen“ im ganzen Land. Ihre Arbeit wird im Herbst anfangen und irgendwann im Frühling nächsten Jahres wird das Ergebnis an das katalanische Parlament weitergeleitet. Es steht in den Sternen, wann eine katalanische Verfassungsgebenden Versammlung möglich sein könnte. Aber das Forum ist ein von vielen Beweisen dafür, dass weder die Unfähigkeit der spanischen noch der katalanischen Politiker die Mehrheit der Katalanen abbringen wird, weiter für eine demokratische, friedliche Lösung des Konfliktes mit Spanien zu kämpfen.

Und diese Entschiedenheit, sollte die europäische Politik nie aus den Augen verlieren.

 

„Es ist besser ein Unrecht zu erleiden, als es zu begehen“. [Worte von Sokrates, zitiert von Jordi Sánchez (katalanischer, politischer Gefangener, gewählte Abgeordneter im spanischen Parlament, dessen Immunität als solcher aber von der spanischen sogenannten „Justiz“ nicht anerkannt wird) in seinem Schlusswort beim Skandalprozess in Madrid]

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