Kategorie: Katalanen-Phobie
Wenn nur „Guten Tag“ sagen 200000 Euros kosten kann
(Übersetzung eines Artikels von Vicent Partal, Chefredakteur der meistgelesenen katalanischen Digitalzeitung „Vilaweb“, vom 30.07.2019)
Paula Rotger ist eine Arbeiterin im Flughafen Palma de Mallorca. Jeden Tag muss sie die Sicherheitskontrolle passieren, aber vor einer Woche haben diese Alarm geschlagen. Die Sicherheitsagenten [Mitglieder der spanischen paramilitärischen Guardia Civil] haben sie genauer kontrolliert und sie konnte danach problemlos zur Arbeit gehen. Nach einer Weile und als sie schon bei der Arbeit war, kamen zwei Zivilgardisten und baten sie wieder denn Kontrollbogen zu passieren. Sie ging mit und die Kontrolle verlief ergebnislos.
Bis hier hätte die Geschichte für niemand Bedeutung, eine Alltagsgeschichte unter vielen. Die Überraschung kam danach. Als sie sich von den Zivilgardisten verabschiedete, sagte Paula Rotger auf Katalanisch [auch Amtssprache auf den Balearen] ein höfliches „Danke, und guten Tag“. Das hat einen unglaublichen und empörenden Konflikt ausgelöst. Eine der beiden Gardisten hat sie sofort bedroht und gesagt, dass „man mit der Obrigkeit Spanisch reden soll“, und hat sie danach angezeigt wegen „Gefährdung der Sicherheit im Flughafen“. Als Folge dieser unverständlichen Anzeige verlangt man von ihr als Strafe die Bezahlung von 200.000 Euro.
Der Fall hat eine enorme Polemik ausgelöst und deswegen ist es nicht ausgeschlossen, dass der eingestellt werden könnte. Aber das wirkliche Problem ist es, dass fast keine Woche vergeht, ohne das man über irgendeinen sprachlichen Angriff seitens der spanischen Polizeikräfte berichten kann. Vorige Woche gab es den Fall Jafet Pinedo in Elx [spanisch: Elche, in der Provinz Alicante], diese Woche ist der von Paula Rotger gewesen, und so geht es leider weiter.
Bei dem Thema Sprache und Respekt der sprachlichen Rechte der Katalanisch sprechenden ist es beunruhigend zu konstatieren wie die Lage sich ständig verschlechtert. Vor Jahren, zum Beispiel, war es normal, dass die Ausführungen der katalanischen Politiker im spanischen Fernsehen problemlos untertitelt wurden. Heute aber wenn ein Politiker sich normal verhält, bekommt er Drohungen oder Verleumdungskampagnen, wie es vor kurzem den Vorsitzenden der Handelskammer [von Barcelona] passiert ist. Die Mischung eines wiederbelebten polizeilichen Autoritarismus und die wachsende spanische sprachliche Überheblichkeit wirft uns in ein Loch ohne Grund, wovon wir nicht ohne Widerstand wieder rauskommen werden, wirklicher Widerstand. Und das schlimmste ist es, dass diese Verrückten uns davon überzeugen wollen, dass was sie machen normal ist. Das ist aber alles andere als normal.
Weil es nicht normal ist, kann es in keine demokratischen Staat normal sein, dass die Polizei dich bedroht, wenn du keine Bedrohung bedeutest. Und es ist nicht normal, das jemand ein gut erzogenes „Danke und guten Tag“ als eine Gefahr interpretieren kann. Man sagt dass die Ignoranz mit Reisen geheilt werden kann, und wenn das so ist, sollten die spanischen Unionisten von Son Santjoan [der Flughafen von Palma] nach Heathrow fliegen. Und gleich nachdem sie den Zoll passiert hätten, würden sie konstatieren, wie ein Staat die Rechte seiner Bürger verteidigt, auch gegen die Übergriffen des eigenen Staates. Weil man als erstes ein sehr großer Plakat findet, dass an zwei elementare Dinge erinnert, die ich einfach wünschen würde, dass sie hier auch normal wären. Es sagt, dass wenn einer der Staatsbeamten den Reisenden nicht korrekt behandelt, hat man nicht nur das recht sondern sogar die Pflicht, den Fall zur Anzeige zu bringen. Aber es erinnert auch daran (und das hat mich das erste Mal überrascht), dass auf den Londoner Flughafen Heathrow jeder Bürger das Recht hat, seine Anzeige auf Englisch oder auf Walisisch zu schreiben. Das ist wirklich im Dienst der Bürger zu sein, der Menschen, welche mit ihren Steuern diesen Dienst bezahlen.
Bis hier der Text von Vicent Partal. Solche Fälle, die leider immer wieder vorkommen, und wovon man im Ausland wenig oder nichts erfährt, tragen bestimmt nichts bei zur Lösung des Konflikts zwischen Spanien und Katalonien. Nach dem Ende der Diktatur hätte Spanien ein Modell für ein beispielhaftes Zusammenleben von verschiedenen Völkern in einem Staat werden können. Aber der spanische Ultranationalismus, der Franco überlebt hat, hat das verhindert. Stattdessen ist es auf dem Weg das krasse Gegenteil davon zu werden. Jammerschade.
Link zum katalanischem Originaltext: https://www.vilaweb.cat/noticies/discriminacio-linguistica-editorial-vicent-partal/
Über Gewalt, Hass und Buhrufe
Wenn dieser Artikel erscheint wird schon die erste Sitzung des neu gewählten katalanischen Parlaments stattgefunden haben. Da ist schon der nächste Zusammenstoß mit den spanischen Machthabern vorprogrammiert, da die parlamentarische Mehrheit der Katalanen Maßnahmen ergreifen will, die der spanischen Regierung ein Dorn im Auge sind. Madrid hat schon damit gedroht den Ausnahmezustand mit dem Artikel 155 noch zu verhärten. Mit anderen Worten Spanien will auf gar keinen Fall die Entscheidung der katalanischen Wähler respektieren, sondern in Katalonien nur einen Präsident, eine Regierung und ein Regierungsprogramm akzeptieren, die tun was Madrid will, und sonst nichts. Darüber werde ich demnächst schreiben, wenn man die nächsten Ereignisse schon einigermaßen objektiv beurteilen kann.
Heute wären erst mal zwei Tatsachen klarzustellen. Die erste, die Rolle der Gewalt in dem Konflikt Katalonien-Spanien. Die zweite: der ablehnenden Empfang der Bevölkerung in Barcelona für den spanischen König, dass für naive Ausländer vielleicht befremdlich sein könnte.
Immer wieder erscheint in den deutschen Kommentaren zu dem katalanischen Konflikt die Befürchtung, dass irgendwann die Gewalt auf den Straßen herrschen könnte. Und darüber kann man folgendes kategorisch behaupten: a) Seitens der Katalanen gab es, gibt es und wird es keine Gewalt geben. Einerseits weil das inkompatibel mit dem demokratischen und friedlichen Charakter der katalanischen Revolution ist. Und andererseits, weil die Katalanen wissen, dass mit Gewalt kein Blumentopf zu gewinnen wäre. Ganz im Gegenteil. b) Seitens der Spanier gibt es Gewalterscheinungen schon lange. Wir reden hier nicht von den Exzessen der spanischen Polizei am 1. Oktober 2017, und auch nicht von der Willkür der Entscheidungen der spanischen Regierung und Justiz, sondern von Drohungen, Beleidigungen und tätlichen Angriffen gegen friedliche Bürger seitens des Hasses der spanischen Ultranationalisten.
Der Journalist Jordi Borràs hat vor kurzem eine Liste dieser Übergriffe von Mitte September bis Mitte Dezember 2017 veröffentlicht. ( https://www.media.cat/wp-content/uploads/2018/02/Annex_cronologiaok.pdf ). Die Liste ist zu lang um sie hier vollständig zu wiederholen, aber ein paar Geschmacksproben möchte ich den Lesern nicht vorenthalten.

Jordi Borràs
Erstens, die einwandfrei bewiesenen Beleidigungen und die entlarvenden Rufe der Gewalttäter: Katalanische Hurensöhne; Es lebe Franco; Raus hier, Scheißkatalane!; Wir werden deine Frau vergewaltigen!; „Arriba Espana! [„Spanien empor!“ war der Ruf und Gruß der spanischen Faschisten]; Es lebe Hitler!; Ihr gehört alle ins Gefängnis oder erschossen!; ´Wenn Franco wieder käme, wurde keiner von euch am Leben bleiben; Ihr habt keine Eier, Scheißschwulen!. Und so weiter und so fort…
Und nun einer der vielen Beispielen der Liste von media.cat. Am 23. Oktober in der Altstadt Barcelonas, haben sechs Agenten der spanischen Polizei in Zivil in einer Bar Radau gemacht. Zwei von Ihnen die stark besoffen waren, haben von den Kellnern verlangt, dass sie auf Spanisch sprechen sollten und nicht auf Katalanisch. Nur, die betroffenen Kellner waren „Gastarbeiter“ und hatten italienisch gesprochen. Die Polizisten weigerten sich die Rechnung zu bezahlen und verlangten eine neue Schnapsrunde. Einer von ihnen schrie: „Hier in Barcelona sind wir das verdammte Gesetz! Ihr macht zu oder auf wann wir das bestimmen!“. Sie zerbrachen Flaschen, haben eine Bierzapfanlage kaputt gemacht und schüttelten brutal einer der Kellner. Als die herbeigerufene katalanische Polizei erschien haben die Randalierer sie mit den Rufen empfangen: „Ihr Ratten! Katalanische Hurensöhne!“. Nachher wurde bekannt, dass einer der Randalierer Chefinspektor der spanischen Polizei war und eine Truppe von 250 Antikrawallagenten kommandierte. Diese Beteiligung von spanischen Polizei Agenten in Zivilkleidung an den Übergriffen ist leider keine Ausnahme sondern wurde mehrmals konstatiert. Soweit also ob Gewalt kommen kann oder schon da ist, und von wem sie ausgeübt wird.
Und nun zu den unmissverständlichen Ablehnungsbeweisen, welche der spanische König bekam, als er den Mobile Word Congress eröffnete. Zunächst sollte man wissen, dass der spanische Monarch keineswegs bloß den repräsentativen Charakter hat, den andere europäische Könige meistens haben. Laut Verfassung ist er: a) Symbol der Einheit des Staates, und b) Oberbefehlshaber der spanischen Armee, welche laut der spanischen Interpretierung der Verfassung, auch „Garant der spanische Einheit“ sein soll. Beide Rollen verhindern, dass er ein neutraler Schiedsrichter im spanischen-katalanischen Konflikt sein kann, sondern zwingen ihn ein Bewahrer des Status quo zu sein. Auch gegen den Willen der Bevölkerung eines Teils des Staates.
Das wurde verdeutlicht durch die Rede von Felipe VI am 3. Oktober 2017, zwei Tagen nach der Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien. Er verurteilte nicht die exzessive Gewalt der spanische Polizei, und hatte kein Wort des Bedauerns für die Tausend Verletzten die Opfer jener Gewalt wurden. Diese Rede wurde auch von den spanischen Ultranationalisten wie ein Blankoscheck genommen um auch mit Gewalt gegen die aufmüpfigen Katalanen eindreschen zu dürfen. In Katalonien, aber, wurde sie mit Empörung empfangen. Kein Wunder, also, dass von einem Land, dass eine Intervention ertragen muss, die viele Charakterzüge einer Diktatur hat, und dass mehr als einmal feststellen konnte, dass das Staatsoberhaupt diese Intervention duldet und bejaht, alles andere als Sympathie für ihn entgegengebracht wird.
Als Juan Carlos I die Krone an seinen Sohn weitergab, hat er ihm damit eine „Mission impossible“ aufgebürdet. König Felipe ist als Bewahrer der Einheit Spaniens erzogen worden, und damit war von ihm nichts anderes zu erwarten. Falls er die Ratschläge besserer Ratgeber befolgt und er mehr Verständnis für Katalonien gezeigt hätte, dann hätte er sich wiederum mit der Mehrheit der Politik- und Finanzkaste in Madrid angelegt und sein Thron hätte gefährlich gewackelt.
So, darf man wiederholen, kann er sich nicht wundern, wenn viele katalanische Mandatsträger nicht zu seinem Empfang erschienen, und dass er meistens durch leere Straßen geführt wurde, die von der Polizei gesperrt waren um die Unmuts Äußerungen der Bevölkerung auszugrenzen, welche ihn nicht mehr als ihr Staatsoberhaupt anerkennt, weil die spanische Monarchie ein Symbol aller Schikanen geworden ist, die Katalonien immer noch ertragen muss.
Mitten im Sturm
Es ist nicht der Zweck dieser Seiten, die Ereignisse Tag für Tag zu verfolgen. Das gehört zu den Aufgaben der Presse (gedruckt oder digital). Jetzt ist das politische Katalonien in der Mitte eines Sturms, dessen kurzfristige Folgen nicht vorhersehbar sind. Ich betone, die kurzfristige, weil langfristig Spanien nie die Katalanen zur Aufgabe wird zwingen können. Nicht mit Gewaltanwendung, nicht mit Aufrufen zur Respektierung der Gesetze, während die spanische Regierung und die spanische Justiz selber die eigenen Gesetze mit den Füßen treten, indem sie Verfassung und Strafgesetzbuch „freihändig“ interpretieren und nach eigenem Gusto zurechtbiegen; auch nicht mit einer Zwangsverwaltung deren Ausmaß Verfassungswidrig ist. Es ist nicht ein Problem von einem Haufen aufmüpfiger Politiker die „neutralisiert“ werden sollen kostet was es wolle, sondern eines von mehr als zwei Millionen Bürgern, die sich immer besser organisieren, und immer mehr werden, je willkürlicher und unbegreiflicher Spanien in Katalonien wütet. Darüber wird in den folgenden Wochen und Monaten noch viel zu berichten sein. Und selbstverständlich sofort, wenn der „Thriller“, der in Barcelona zur Zeit läuft, sich einigermaßen aufklärt und man eine Ahnung davon bekommt wie es weiter gehen soll.
Heute möchte ich (wieder was „Vermischtes“…) zwei sehr unterschiedliche Themen ansprechen. Das Erste (leider wieder) die immer noch mangelhafte Genauigkeit der deutschen Berichterstattung; das Zweite die traurigen, empörenden Blüten, die ein entfesselter Antikatalanismus treibt, ein Antikatalanismus, der seit drei Jahrhunderten von vielen Politikern angefacht wurde als Sündenbock, um die eigenen Verfehlungen zu kaschieren.
Erstens, also, die deutsche Berichterstattung. Über Quantität kann man nicht meckern. Sogar fast unbekannte Provinzzeitungen reden davon. Aber -mit sehr wenigen ehrenvollen Ausnahmen- wird der deutsche Leser damit irregeführt. Nur drei Beispiele: 1.) es wird immer darauf hingewiesen, dass Präsident Puigdemont vor der spanischen Justiz geflohen ist, was dem Leser das Bild eine feigen Politikers vermittelt. Nirgendwo habe ich den Hintergrund davon lesen können: dass alles eine Entscheidung der gesamten katalanischen Regierung war sich aufteilen um so besser gegen die willkürlichen Rechtsbeugungen der spanischen Regierung reagieren zu können. 2.) Keine Nachricht über Puigdemont im deutschen Fernsehen ohne einen Hinweis darauf, dass er wegen Rebellion angeklagt ist. Und wieder kein Hinweis darauf, dass diese Anklage (wie auch die wegen Aufruhrs) erhoben worden ist unter Missachtung des spanischen Strafgesetzbuches, das ganz präzise definiert, dass man nur von Rebellion sprechen darf, wenn Waffengewalt zur Anwendung kommt, was im Fall der immer gewaltlosen Katalanen nicht geschehen ist, wie alle Welt weiß. Und 3.) Es werden immer wieder spanische Politiker zitiert, die selbstgerecht mahnen, dass man nicht die Verfassung und die Gesetze des Landes missachten darf, und deswegen die Gesetzesbrecher juristisch verfolgt werden müssen. Aber sehr wenige Journalisten haben auch davon gesprochen, dass es die spanische Regierung und die spanische Justiz, welche die gravierendsten Verstöße gegen das spanische Gesetz getan und den Begriff „Rechtstaat“ für Spanien vollkommen ruiniert haben.
Diese Einseitigkeit der Berichterstattung ist nicht nur bedauerlich, sondern auch, meiner bescheidener Meinung nach, ein Affront gegen die Werte und Prinzipien der Bundesrepublik Deutschland, die für alle Welt ein Leuchtturm der Menschlichkeit geworden sind.
Und nun zu den dunklen Seiten des Antikatalanismus, der nur ein Aspekt des spanischen Ultranationalismus ist.
Am 17.01.2017 ist in dem spanischen Internetportal „El Espanol“ ein Artikel von einem Herrn Cristian Campos erschienen, der ein Pamphlet gegen die katalanische Sprache ist. Der Titel: „Das ewige katalanische Problem ist die Sprache“. Nach dem Autor ist das katalanische vollkommen irrelevant und „es kann nicht mal das Argument der Kraft, der Nützlichkeit oder des kulturellen Prestiges für sich nennen, wie es das Englische, das Spanische, das Mandarin oder das Hindi beanspruchen können…“. Dann versteigt sich Herr Campos zu der hanebüchenen Behauptung, dass die Sprache: „…wie ein Werkzeug der Rache der nationalistischen Katalanen gegen die Verfassungstreuen ist, die in der Region als Bürger zweiter Klasse betrachtet werden“, was jeder unparteiische Beobachter des katalanischen Alltags als piren Unsinn bezeichnen wird.
Nach einigen weiteren „Perlen“ wie die „Diskriminierung“ der spanischsprechende Studenten und ähnliches, schreibt der Autor: „Das Katalanische ist der historische Fluch Kataloniens gewesen… seit 1978 ist als Segregationswaffe benutzt worden… Sie ist vom Nationalismus infiziert zu einem fremdenfeindlichen Symbol geworden und als Eintracht Sprache disqualifiziert. Das Katalanisch ist schon nichts viel mehr als ein Werkzeug des Hasses in den Händen deren die mit ihr ihren Rassismus beleben“. Und noch: „Ohne das Katalanische würde die Fantasie der „katalanischen Eigentümlichkeit“ wie ein Kartenhaus zusammenfallen und die nackte Wirklichkeit zeigen: dass es eine spanische Gemeinschaft ist ohne mehr oder weniger Geschichte oder Verdienste als alle anderen übrigen sechzehn. Eine Gemeinschaft von Gleichen in einem Land von Gleichen. Das heißt: eine Demokratie“.
Ich weiß nicht, ob ein nicht informierter deutscher Leser so eine Hasstirade als solche erkennen kann. Man könnte nur den Kopf schütteln über so viel Ignoranz darüber, was eine Sprache für ein Volk bedeutet, desto mehr wenn diese Sprache mehrfach gnadenlos verfolgt worden ist. Aber die Sache ist viel gravierender. Die meisten Kommentare der Leser des Artikels (und das Portal hat immerhin mehr als 16 Millionen Besucher!) hauen in derselbe Kerbe und solidarisieren sich mit den Ungeheuerlichkeiten von Herrn Campos. Und wie man als Katalane weiß, dass Katalonien für Leute nicht nur aus Spanien sondern aus vielen anderen Ländern der Welt ein Aufnahmeland, für viele sogar ein Zufluchtsland ist, man verzweifelt daran, ob mit diesen unversöhnlichen Tiraden, die von so vielen Spanier geglaubt werden, den Graben zwischen Katalonien und Spanien noch zu überwinden sei.
Nach dem Attentat
Das entsetzliche Attentat in Barcelona hat – wie könnte es anders sein – eine Welle von Solidarität in der katalanischen Bevölkerung und in der ganzen Welt ausgelöst. Trauer und Schmerz angesichts der Opfer. Wut und Abscheu gegenüber den Tätern. Und trotzdem gibt es Aspekte – vor und nach diesem Verbrechen – die im Ausland weitgehend unbekannt sind und die -leider – mit dem Konflikt zwischen Katalonien und Spanien zu tun haben und nicht verschwiegen werden sollten.
Aktuell wird diskutiert – wie immer nach einem solchen Unglück – ob es möglich gewesen wäre, den Tätern frühzeitig auf die Spur zu kommen und das Attentat zu verhindern. Es wird nie hundertprozentige Sicherheit geben, und solche Verbrechen werden leider nie vollkommen auszuschließen sein. Doch sollte immer und überall alles Menschenmögliche getan werden, um Prävention soweit wie möglich zu gewährleisten. Und genau hier hat der spanischer Staat sich einiges vorzuwerfen.
Die katalanische autonome Polizei wird mit einem historischen Namen bezeichnet: „Mossos d’esquadra“, in etwa „Heimwehrjungs“. Und diesen „Jungs“ wird aus Madrid mit ziemlichen Misstrauen begegnet, eben weil Ordnungskräfte, die unter dem Befehl der katalanischen Regierung stehen, angeblich schon „per se“ suspekt sind. Vielleicht deswegen und unter Missachtung schon vor mehr als zehn Jahren getroffener Abmachungen, hat die Zentralregierung diese „Jungs“ aus mehreren wichtigen Sicherheitseinrichtungen ausgeschlossen. Zum einen aus der spanischen Behörde CITCO, das zentrale Koordinationszentrum für den Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen, mit dem sonst alle anderen autonomen Polizeikräfte Spaniens, seit kurzem sogar die „traditionell verdächtige“ baskische Polizei, vernetzt sind. Nach den vor Jahren getroffenen Vereinbarungen sollte die katalanische Polizei 1.600 Agenten mehr als sie zur Zeit hat. Diese Aufstockung wurde aber ständig blockiert. Neulich, Anfang des Jahres wurde wieder die Anfrage Kataloniens an Madrid zur Genehmigung von 500 weiteren Polizeistellen abgelehnt (vgl. meinen Artikel „Schikanen und Drohungen“ aus Juni dieses Jahres).
Zum zweiten, und ebenfalls auf Geheiß der spanischen Zentralregierung, hat die katalanische Polizei kein Zugang zu den Datenbanken der europäischen Sicherheitsbehörden (Europol, Siena, Sirene), was jegliche Prävention erheblich erschwert. Dieses Verbot bleibt, wider aller Vernunft, wohl weiter bestehen. Man hat der spanischen Regierung in den vergangenen Monaten wiederholt vorgehalten, dass ihr politisches Ränkespiel bewusst oder unbewusst die Sicherheit der Bevölkerung auf Spiel setzt. Das Verbrechen vom 17. August ist eine traurige Bestätigung dieser Warnung.
Einige ausländische Zeitungen haben die „prompte“ Reaktion des spanischen Ministerpräsidenten Rajoy, sofort nach Barcelona zu reisen, gelobt. In Katalonien, aber, egal ob Unabhängigkeitsbefürworter oder -Gegner, haben viele Rajoy stark kritisiert. Denn es war die katalanische Regierung, die ab dem ersten Moment rasch und wirkungsvoll reagierte -wie es ihre Pflicht ist – während Rajoy lediglich ein kurzes Telefonat mit dem katalanischen Präsidenten Puigdemont führte jedoch sich mit ihm nicht traf. Dazu: den entscheidenden Anteil am schnellen Einsatz gegen die Terroristen schulterten die „Jungs“ der katalanischen Polizei, während die spanische Nationalpolizei und die Guardia Civil nur am Rande Hilfsdienste leisteten. Das soll kein Vorwurf sein, sondern lediglich die Feststellung, dass jeder getan hat, was nach der Gesetzeslage zu tun sollte. Rajoy, jedoch, hat sich nur mit Mitgliedern der spanischen Ordnungskräfte, nicht aber mit dem katalanischen, die das Ganze haben bewältigen müssen, getroffen. Das ist auch als kleinlich registriert worden.
Noch ein sehr trauriger Umstand soll vermerkt werden. Vor einem Jahr (Juli 2016) habe ich schon in zwei Artikeln („Wenn der Unsinn alltägliches Brot wird (I)“ und „Einstein hatte recht. Und wie! (II)“) von dem extremen Hass mancher Spanier gegen die Katalanen berichtet, der allzu oft durch spanische Politiker aus Wahlkalkül noch aufgeheizt wird. Wieder konnte man in den sozialen Medien Muster dieser Katalanen-Phobie feststellen, wie folgende drei Zitate zeigen:
-Hätte dieser Maure nicht noch mehr Katalanen töten können?
–Wolltet ihr nicht weniger Touristen? Bitte schön…
Darüber zeigen sich verständlicherweise viele Katalanen entsetzt. Mich macht so etwas nur unendlich traurig. Diese Stimmung, die jahrzehntelang von kurzsichtigen und verantwortungslosen Politikern geschaffen worden ist, hilft keinem und macht es nur noch schwieriger eine vernünftige Lösung der gegenwärtigen Krise zu finden.
Dabei waren diese namenslosen Katalanen, wo immer ihr Geburtsort sei, die nach dem Attentat in Barcelona fremde Menschen in ihre Wohnungen gelassen, die stundenlang im Verkehrstau um die Metropole in ihren Autos Feststeckende mit Getränken und Essen versorgt haben, unter ihnen die Taxifahrer, die Touristen kostenlos zu ihren Hotels brachten. Und auch die Katalanen, wo immer ihr Geburtsort sei, die schon wenige stunden nach dem Attentat lange Schlangen vor den Blutspendenstellen der Krankenhäuser bildeten.
Manche mögen solche Äußerungen als Ausrutscher einiger Unverbesserlichen abtun. Noch schwerer wiegen auf jedem Fall vermeintliche „Ratschläge“ am Tag nach den Attentaten in Barcelona und Cambrils, u.a. in Leitartikeln großer spanischer Zeitungen wie El País und El Mundo, in denen leichtfertig und ebenso mutwillig Zusammenhänge zwischen der terroristischen Bedrohung in Katalonien und der Unabhängigkeitsbewegung geknüpft werden.
Dort heißt es das Katalonien die Region mit der höchsten Zahl fundamental geprägter islamischen gemeinden sei und man riet „Dies sollte die katalanischen Machthaber ihre Willkommenspolitik überdenken lassen, da manches Mal der Blick auf die nationale Sicherheit zugunsten von Wahlinteressen im Hinblick auf die Unabhängigkeit in den Hintergrund getreten sei“. Man vergisst oder will vergessen, dass die katalanische Regierung gar keinen Einfluss auf die Immigrationspolitik Spaniens hat, denn, wie alles was mit den Aussengrenzen zu tun hat, ist dies allein Vorrecht der Zentralregierung in Madrid, der bewiesenermaßen oft Einwanderer aus arabischer oder maghrebinischen Staaten mit Bussen vom Ankunftsort direkt nach Katalonien transportiert hat, um anderen Regionen Spaniens zu schonen. Man vergisst oder will vergessen, dass die hohe Zahl von festnahmen möglicher Gefährder durch die katalanische Polizei vor allem der Aufklärungsarbeit derselben zu verdanken ist, was bei der Polizeikräfte in anderen Länder Europas zu hoher Anerkennung führte und möglicherweise frühere Attentate verhindern half.
Leider sind auch deutsche Medien, wie oft auf den Madrider Zug aufgesprungen, wenn auch nicht alle. Es wäre wünschenswert, wenn journalistische Recherche sich nicht unbesehen auf in dubioser weise interpretierenden Quellen, sondern auf Fakten stützen würde, auch wenn solche Ereignisse eine schnelle Umsetzung erfordern.
Dicke Bretter durchbohren
Dieser Blog ist jetzt 10 Monate alt, und dieser Artikel der 44. Und immer schreibe ich mit dem Gefühl, dass es mir vorkommt, als wollte ich besonders dicke Bretter durchbohren. Dies ist mir besonders bewusst geworden, nachdem ich im katalanischen Nachrichtenportal Vilaweb (hier auf English) einen Artikel des Journalisten und Publizisten Joan-Lluís Lluís gelesen habe, mit dem Titel „Von der schwierigen Kunst zu versuchen Spanien zu erklären“. Erlauben Sie dass ich Teile davon zitiere:
„…Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht die richtige Worte finde, aber jedes Mal, wenn ich jenseits von Spaniens Grenzen über Spanien reden muss, sehe ich mich mit dem selben Problem konfrontiert. Die Leute denken, dass ich übertreibe. Ich kann über die Prozesse und die Urteile gegen Mas, Ortega und Rigau reden, über das laufende Verfahren gegen die Parlamentspräsidentin, über das objektive Interesse der spanischen PP das Schreckgespenst ETA am Leben zu erhalten, über die öffentliche Verhöhnung der katalanischen Sprache, über die tatsächlichen Grenzen des Rechts aus Meinungsfreiheit … ich kann reden über das Raubrittertum in der spanischen Steuerpolitik, über Flughäfen ohne Flugzeuge, über Hochgeschwindigkeitszüge ohne Passagiere, über den verweigerten Ausbau eingleisiger Nahverkehrstrecken rund um die Metropole Barcelona oder darüber wie der spanische Staat den „Mittelmeerkorridor“ interpretiert. Mein Erfolg ist aber gering.
Dabei fällt mir auf, dass meine Gesprächspartner in der Regel die selbe Vorstellung von Spanien teilen: dass es ein armes Land war, das jedoch sein wirtschaftliches Niveau wesentlich verbessert habe. Das es eine Diktatur war, jedoch heute uneingeschränkt mit jeder westlichen Demokratie zu vergleichen sei, und fertig. Es sei doch Mitglied der EU, oder? Und es gäbe regelmäßig Wahlen. Gibt es da nicht den politischen Machtwechsel? Das solle doch ausreichend zeigen, dass alles nicht so im argen liegt… Was ich sonst erzähle, scheinen für jene Einzelfälle sein. Einzelfälle, von denen man halt so erzählt, vielleicht sogar aus böser Absicht. Und selbst jene, die mir keine bösen Hintergedanken unterstellen, reagieren lediglich mit Schulterzucken. Wahrscheinlich sei es ja gar nicht so schlimm… Der Versuch Spanien zu erklären, ist es wie mit einem Skateboard über einen feinsandigen Strand fahren zu wollen. Der Versuch ist lobenswert, das Ergebnis gleich Null…“
Solch eine Erfahrung, wie die des Journalisten habe ich auch oft genug gemacht. Und ebenso häufig ist die Reaktion der gutgemeinte Rat, dass doch „alles durch einen vernünftigen Dialog zu lösen sein sollte“. Selbst wenn man darauf hinweist, dass die Katalanen seit Jahr und Tag den Dialog gesucht haben, dass sie versucht haben, ein vernünftiges Miteinander innerhalb des spanischen Staates durch ein adäquates Autonomiestatut zu erreichen. Stattdessen wurde ein Autonomiestatut, das den katalanischen Wünschen immerhin teilweise Achtung schenkte und von allen, auch gesamtspanisch anerkannt worden war, nachträglich durch eine Klage beim Verfassungsgericht, initiiert von der spanischen Volkspartei, so weit verstümmelt, dass es zu einer leeren Hülse verkam.
Und was geschah mit der Anfrage der Katalanen nach einer neuen und gerechteren Finanzregelung, die Katalonien im besten Falle die selben Rechte gewährt hätte wie sie das Baskenland und Navarra schon lange genießen? Sie wurde abgelehnt. Man hat wenigstens um erweiterte regionale Zuständigkeiten gebeten, um Straßen, Eisenbahnlinien, Häfen und Flughäfen zum Nutzen des ganzen Landes verbessern und erweitern zu können. Sie wurden abgelehnt. Alles wurde verweigert. Ohne Dialog. Stattdessen findet man in Spanien Flughäfen ohne Flugzeuge und Hochgeschwindigkeitszüge zu Orten, an denen weniger Menschen leben als es Plätze im Zug gibt.
Und ausgerechnet jetzt, wo die Katalanen nicht mehr still halten, sich nicht mehr mit dem ständigen Nein zufrieden geben, ausgerechnet jetzt bittet die spanische Regierung um einen Dialog mit den Katalanen, aber vermeidet tunlichst den direkten Kontakt mit der katalanischen Landesregierung. Und stellt unmissverständlich klar, dass ein solcher sogenannte Dialog nur Themen behandeln dürfe, die den jetzigen Status quo verfestigten. Ausgerechnet jetzt spricht der spanische Ministerpräsident von ein paar Milliarden zur Verwirklichung von Infrastrukturprojekten, die schon oft versprochen, aber nie realisiert wurden. Und er macht dies nicht etwa während eines Treffens mit der katalanischen Landesregierung, sondern während eines Vortrags vor ihm genehmen und zugeneigten Vertretern der Wirtschaft.
Derweil geschehen weiter viele Dinge, die im Ausland unbemerkt bleiben, aber in Katalonien sehr wohl registriert werden. Zum Beispiel, dass ein katalanischer Professor (von die Universitat Politècnica de Catalunya), am Flughafen Barcelonas, sich höflich an einem spanischen Polizisten in katalanischer Sprache wendet, um eine Auskunft zu erfragen, und nun deswegen eine Geldstrafe von 601 Euro bezahlen muss (hier auch auf spanisch). Eine Willkür, die durch ein Gesetz ermöglicht wird, das den schönen Namen „Gesetz zum Schutz der persönlichen Sicherheit“ trägt, in ganz Spanien aber (und nicht nur in Katalonien) unter dem weniger schönen Namen „Knebelgesetz“ bekannt ist. Gewährt es doch den spanischen Sicherheitsdiensten umfangreiche Rechte, die jenen der Türkei Erdogans verdächtig ähnlich sind.
Liebe Leser dieses Blogs: ich kann nicht einschätzen ob Sie meinen Worten Glauben schenken oder nicht, obwohl ich das Beste hoffen möchte. Aber ich werde weiter durch dicke Bretter bohren. Für uns Katalanen gibt es keine Alternative.
P.S. Wie der zitierter Journalist Herr Lluís sagt, werden im Ausland viele heutige Übergriffe auf die katalanische Sprache als bloße „Einzelheiten“ betrachtet. Diese Sichtweise wird aber unhaltbar, wenn man die Dossiers über das Thema ließt, die von der „Plattform für die Sprache“ (Plataforma per la Llengua) in langer und geduldiger Arbeit zusammengesetzt sind. Anschließend zwei berichte in englischen Sprache. Der erste von über 40 gravierenden Fällen von Diskriminierung in den Jahren 2007-2013, der zweite über 37 Fällen in den Jahren 2013-2015.
https://www.plataforma-llengua.cat/media/assets/4146/The_catalan_case.pdf
Auch sollte man nicht vergessen, dass im Januar 2016 der Europarat sechs Empfehlungen an die spanische Regierung über dringende Maßnahmen geschickt hat, um in Spanien der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die auch von Spanien unterschrieben wurde, Geltung zu verschaffen und unhaltbare Zustände zu korrigieren. Das ist aber bis jetzt nicht geschehen.
https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805c1bea
Einstein hatte recht. Und wie! (II)
Einstein hat mal gesagt: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Die Dummheit und Kurzsichtigkeit von vielen spanischen Äußerungen über Katalonien bestätigen leider die Worte des großen Physikers. Gestatten Sie, liebe Leser, dass ich heute noch einige von diesen „Perlen“ aufführe, und zwar in direktem Bezug auf die kritisierten Umstände.
Sie werden sich bestimmt erinnern, dass am 11. September 2014, ca. 1,5 Millionen Katalanen, friedlich und mit einem Lächeln auf den Gesichtern eine menschliche Kette von mehr als 450 km. gebildet haben, um für die Unabhängigkeit Kataloniens zu demonstrieren. Ein Monat später, am 12. Oktober, haben die Gegner der Unabhängigkeit in Barcelona demonstriert, aber sie konnten mit einer Teilnahme von weit unter 10.000 Leute nicht mal das Katalonienplatz in Barcelona füllen. Der Unterschied konnte wirklich kaum größer sein. Dann aber kam der „brillantes“ Kommentar des Vorsitzenden der antikatalanischen Partei „Ciudadanos“ Albert Riveras: „Der menschliche Wert der Demo am 12. Oktober ist viel wichtiger als der der separatistische Menschenkette“. Das ist als ob in Deutschland der Vorsitzende der NPD sagen würde, dass der kleine Haufen Stimmen für sie wichtiger ist als alle anderen Stimmen für die im Bundestag vertretenen Parteien. „Spain is different“
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat einige grundsätzliche Merkmale: die Gewaltlosigkeit, die gute Laune der Mitstreiter und die Abwesenheit von Hassparolen. Es wird die spanische Politik abgelehnt, aber nicht das spanische Volk, und wer was anderes sagt, der lügt ganz bewusst. Und was sagen einige Brunnenvergifter?
„Für die Unabhängigkeit zu kämpfen ist eine Sache für geistig behinderte“ (Antonio Gala, Journalist und Schriftsteller).
„Die Generalitat ist die einzige offizielle Institution des Staates, die den hass gegen Bürger in und außerhalb Katalonien fördert“ (Hermann Tertsch, spanischer Journalist österreichischer Ursprungs),
„Der katalanische Nationalismus ist Fremdenfeindlichkeit“ (Antonio Pérez Henares, Journalist bei „La Razón“, Sprachrohr des rabiatesten spanischen Nationalismus).
„Dialog mit Katalonien? NEIN! Der Dialog mit Hitler endete schlecht. Mit einem Vergewaltiger gibt es keinen Dialog. Es gibt nur Unterdrückung und Strafe“ (Federico Jiménez Losantos, Rundfunkjournalist)
Und nun diverse „Starbeispiele“, die für sich selbst sprechen:
„Für welche wichtige Sachen ist es nützlich katalanisch zu lernen? Man lernt mehr Sprachen um mehr Kultur zu haben, aber nicht auf katalanisch“ (María Antonia Trujillo, Sozialistin, Verfassungsrechtlerin).
„Das katalanische ist ein Abtrennungswerkzeug um zu verhindern, das andere Leute sie verstehen“ (Gustavo Bueno, Philosoph (!) und Universitätsprofessor).
„Seit dem Tode Goebbels wurde nie so sehr gelogen wie jetzt in Katalonien“ (Fernando Savater, Philosoph (!) )
„Mit mehr Bildung gäbe es weniger Separatismus“ (Arturo Pérez Reverte, Journalist, erfolgreicher Krimiautor)
„Katalonien gibt die Schuld an allem an anderer. Dasselbe haben die Nazis mit dem Juden getan und wir wissen wie das endete“ (Rosa Díez, Vorsitzende der Partei UPyD -eine Abspaltung der sozialistischen PSOE- )
„Wir werden nicht erlauben, dass sich ein Teil Spaniens sich von ihr trennt ohne das Blut vergossen wird“ (Pedro Pablo Peña, Vorsitzender der ultrarechter Splitterpartei Alianza Nacional)
„Katalonien ist Eigentum aller Spanier“ (Esperanza Aguirre, Spitzenpolitikerin der Volkspartei von M. Rajoy). Ein entlarvender Satz der vorherrschenden Denkweise der spanischer Politik: die Regionen sind „Eigentum“ der Zentralregierung und die haben nur zu kuschen.
„Ich würde die Fremdenlegion nach Katalonien wenden. Ohne jede Zweifel!“ (Leandro de Borbón, neulich verstorbenen Großonkel des jetzigen spanischen Königs)
Liebe Leser: ich könnte noch Seiten und Seiten mit ähnlichen Unfug füllen, aber ich lasse es sein. In Unrat zu wühlen macht zu schlechte Laune. Ich gelobe, Sie nicht mehr damit zu nerven.
Wohlgemerkt damit meine ich nicht, dass auf katalanischer Seite kein Unfug geredet wird. Kein Volk ist vollkommen dummheitsresistent. Aber wenn, handelt es sich um eine verschwindend kleine Minderheit und nie um Persönlichkeiten der Politik oder der Kultur.
Wenn der Unsinn alltägliches Brot wird (I)
Mai 2016. [wie alle bisherigen Artikel in diesem Blog, ist dieser in die deutsche Zeitung ARENA -der in der Costa Brava herausgegeben wird- erschienen ] Lieber deutscher Leser, was ich in diesem und im nächsten Artikel schreiben werde, wird Sie möglicherweise zu der Meinung verleiten, dass ich maßlos übertreibe und, dass die von mir aufgeführten Zitaten von spanischen Politikern und Intellektuellen wahrscheinlich das Ergebnis der Verblendung einer sehr kleine Minderheit sind. Leider ist es nicht so. Die Ungeheuerlichkeiten, die viele Spaniern von sich geben, wenn sie über Katalonien reden, sind für einen normalen europäischen Demokraten unverständlich. Bei mir zu Hause habe ich selber diese Erfahrung mit meiner Frau gemacht, einer Hamburgerin die genau so intelligent und demokratisch ist wie Sie, der jetzt diese Linien lesen wird. Wie oft hat sie nach der Lektüre von solchen Sätze den Kopf geschüttelt und gesagt: „Aber in welcher Welt leben diese Leute? Wie kann man so verbohrt sein?“
Ich werde also an meinen liebenswürdigen Leser einiges von diesem Unsinn und diesen Dummheiten weiterreichen, und es mit der täglich erlebten Wirklichkeit in Katalonien vergleichen. Ein neulich erschienenes Buch hat mir diese Arbeit erleichtert. Es handelt sich um „Herois indepes„, von Andreu González und Jordi Calvís (Verlag: Editorial Cossetània 2016), die eine ganze Menge von solchen Zitaten gesammelt haben. Der ironische Titel „Helden der Unabhängigkeit“ weisst darauf hin, dass alles, was diese Leute von sich gegeben haben, nur der Drang der Katalanen, sich von Spanien zu trennen, noch verstärkt hat. Aus der Sammlung werde ich ca. 20 Zitate verwenden. Mehr als das könnte ich selber nicht verdauen…
Die häufigsten Themen dieser Ungeheuerlichkeiten sind 1) der Vergleich der katalanische Unabhängigkeitsbewegung mit dem Hitlernazismus, 2) die Behauptung, dass es sich um einen ethnischen und fremdenfeindlichen Nationalismus handelt, der den Hass fordert, und 3) die Drohung mit Waffengewalt. Vier Zitate, zum Beispiel;
„Mann kann nicht gleichzeitig für das Selbstbestimmungsrecht und Demokrat sein“ (Javier Cercas, erfolgreicher Romanschreiber)
„Der katalanische Nationalismus hat ethnische Politiken hervorgebracht. Man hat uns alle in Hutus und Tutsis verwandelt“ (Félix Pérez Romera, Anthropologe und einer der Gründer von der antikatalanischen Partei „Ciudadanos“)
„Die Freiheit, die man heute in dem nationalistische Katalonien erlebt, ist sehr ähnlich zu der in Deutschland 1933, nämlich gar keine“ (Jaime Berenguer, Psychologe, Mitglied der antikatalanischen Partei UPyD)
„Katalonien wird nicht aufhören zu Spanien zu gehören! Oder sind Sie bereit für blutige Schlachten?“ (Manuel Fernández-Monzón, pensionierten Armeegeneral, früherer Chef der Polizei in Madrid).
Wundern Sie sich nicht wenn ich behaupte, dass diese Zitate nicht mal die schlimmsten sind. Alle haben aber etwas gemein: eine erschreckende Ignoranz von der Wirklichkeit des Lebens in Katalonien, von dem problemlosen Miteinander von Spanisch- und Katalanisch sprechenden und davon, dass die katalanische Mentalität (Produkt einer Einwanderung aus vielen verschiedenen Gegenden seit tausend Jahren) nichts ferner liegt als die Fremdenfeindlichkeit oder der Hass auf irgendjemand aus dem Grund, dass er oder sie zu einer bestimmten menschlichen Gruppe gehört. Außerdem ist der Vergleich der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung mit Hitlers Nationalsozialismus eine Beleidigung für den Opfern des nazistischen Irrsinns und eine unerträgliche Trivialisierung des „Tausendjährigen Reiches“. Das hat aber viel damit zu tun, dass viele der Merkmale des Franco-Regimes sich über die Zeiten erhalten haben. Dazu zählt die totale Zurückweisung der Idee, dass Spanien ein Staat sei wo mehrere Völker neben den kastilischen-spanischen leben. Diese Haltung hat eine Verständigung aller unmöglich gemacht, die sonst sehr wohl möglich gewesen wäre.
Als Schlusspunkt für heute und bis zum nächsten Artikel noch ein paar saftige Zitate:
„Es gibt Leute welche die Unabhängigkeit wollen, genau wie es solche gibt, die die Todesstrafe legalisieren möchte“ (Rosa Díez, Vorsitzende von UPyD)
„Die Mehrheit der katalanischen Separatisten sind Homosexuelle, Drogenabhängige und Leute mit schlechten Leumund“ (Gerard Bellalta, Vorsitzender der ultrarechten Splitterpartei „Spanischer Partei Kataloniens“. Bellalta war früher in der fremdenfeindlichen Partei „Plattform für Katalonien“, aber er verließ sie, weil er meinte sie wäre „zu lasch“ geworden).
„Kennedy schickte die Nationalgarde nach Alabama und hat die Ordnung wiederhergestellt. Ein Beispiel, glauben wir, das für Katalonien sofort verwendet werden sollte“ („Spanischer Militärverein“)
„Ein Selbstbestimmungsreferendum ist dasselbe wie eine Gemeindeumfrage um über die Ausweisung von Muslime zu entscheiden. Es wird von dem Gesetz verboten“ (Esperanza Aguirre, Spitzenpolitikerin der Volkspartei von Ministerpräsident Rajoy)
Hübsch, nicht wahr? Fortsetzung folgt.