Makabrer Politikspielchen
Dass die Covid Pandemie eine der größten Herausforderungen dieser Zeit ist, ist sattsam bekannt. Dass alle Regierungen ihr Bestes geben sollten, um dagegen zu kämpfen und ihre Bürger zu schützen, auch. Wir haben aber sehen müssen, wie Leute wie Trump, Bolsonaro (früher auch Johnson) und andere Populisten uns skrupellose Regierende die Gefährlichkeit des Virus so lange verneint haben, bis die Zahlen der Kranken und der Toten sie zu einer viel zu späten Umkehr gezwungen haben.
Es gibt aber auch eine graue Zone von Länder, oder besser gesagt von Regierungen, die von Anfang an in ihren Verlautbarungen die Gefährlichkeit der neuen Drohung bestätigt haben, dann aber in ihren Taten versagt haben, Das geschah aus vielerlei gründen, und in jedem Land waren diese bestimmt verschieden. Der Fall von Spanien gehört in diesen Bereich. Großspurige, sogar martialische Worte (mit hoch dekorierten Militärs im Hintergrund vor den Kameras) und entmutigende sogar katastrophale Taten. Ich werde nicht über vergangenen entsetzlichen Fehler reden, wie z.B. die Weigerung, den Hotspot Madrid zu isolieren, und das Verbot, dass die autonomen Regionen selbständig Gebietsisolierungen beschlossen (wie es mehrmals im Falle Katalonien geschehen ist) in dem Wahn, alle Entscheidungen in Madrid zu bündeln, was letztendlich in einem Fiasko endete.
Betrachten wir nur den aktuellen Fall, in Form einer Reihe von Stichworten um den Überblick zu vereinfachen.
-Im vorigen September wird der katalanischen Ministerpräsident durch ein widerrechtliches Urteil des spanischen Obergerichtshofes abgesetzt.
-Das führt automatisch -durch die geltende legale Ordnung- zu Neuwahlen für das katalanische Parlament, innerhalb eines festgesetzten Frist. Es wird der 14 Februar als Termin genannt, mit dem Vorbehalt, dass wenn die Pandemielage es erfordert, eine andere Entscheidung fallen kann.
-Vor ca. einen Monat wird als Kandidat der Sozialisten in dieser Wahl der spanische Gesundheitsminister Salvador Illa ernannt. Das führt zu vielen Kritiken die unmöglich finden, dass mitten in der Pandemie der Gesundheitsminister gewechselt wird. Illa ist in der Regierung in Madrid der „Alibikatalane“ an der Spitze eines Ministerium mit einem Minimum von Kompetenzen, da die Gesundheit bis dann vornehmlich Sache der Autonomien war.
-Die allgemeine Meinung ist, dass der spanische Ministerpräsident damit gerechnet hat, dass bis Februar, die Pandemiezahlen stark rückläufig werden würden, und dass das sich günstig für die Popularität von Illa auswirken würde. Damit war die Hoffnung verbunden, dass die Sozialisten als Sieger der Wahlen die Unabhängigkeitsparteien aus der katalanischen Regierung wegjagen könnten. Und um diese Chance zu bekommen, sollten die Wahlen rasch erfolgen, um den sogenannten „Effekt Illa“ wahrnehmen zu können.
-Dann kam aber die zweite Welle der Pandemie mit neuen verheerenden Zahlen, und die geschäftsführenden Regierung und Parlament in Katalonien haben beschlossen, die Wahlen bis Ende Mai zu verschieben, wegen der hohen Risiken für die Wähler. Die Sozialisten konnten sich mit ihrem Vorschlag, Ende März als Neuen Termin zu bestimmen, nicht durchsetzen.
-Das hat aber dem „Deep State“ nicht gepasst. Ein paar private Leute (sowieso bekannt als extreme spanische Nationalisten) und eine kleine Splitterpartei, haben gegen die Verschiebung Beschwerde bei dem Obergerichtshof Kataloniens (dessen Mitglieder sowieso von Madrid ernannt werden) und das Gericht hat die Verschiebung „provisorisch“ verboten, bis allen Beteiligten gehört werden können. Als letzten Termin für eine Entscheidung ist der 8 Februar genannt. Also sechs Tage vor den ursprünglichen Termin!
-Das totale Chaos ist deswegen eingetreten. Die Parteien müssen jetzt ihre Wahlkampagne unter Pandemiebeschränkung irgendwie weiter führen, ohne genau zu wissen ob und wann die Wahl sein wird. Es ist nicht klar ob die bis dann per Post versandten Stimmen gültig werden oder nicht. Und man rechnet damit, dass durch die Angst der Wähler die Wahlenthaltung sehr groß sein wird mit der dann kommenden Frage, ob die Wahl dann repräsentativ und gültig sein kann. Und das alles um die angebliche Chance nicht zu verlieren, die Unabhängigkeitsparteien in die Opposition zu schicken.
-Es wird als eine legale Ungeheuerlichkeit angesehen, dass ein Gericht sich anmaßt, eine demokratische Entscheidung eines Parlamentes zu kassieren. Es isr. aber nicht das erste Mal in diesem spanisch-katalanischen Konflikt. Nur das dieses Mal diese Politikspielchen der Gerichte (wo sie nichts zu suchen haben) ein makabrer Aspekt bekommt. Wie der Journalist Jordi Barbeta es beschreibt: „Wenn der Staat bereit ist, das Leben der Bürger in Gefahr zu bringen, verliert dieser Staat seine Legitimität und seine Daseinsberechtigung (…) Wir sehen hier eine authentische Sabotage der katalanischen Institutionen. Es gibt kein Gesetz, dass den Richtern erlaubt einen Wahltermin zu bestimmen (…) Wenn man berücksichtigt, dass die Epidemiologen, Virologen und andere Sanitätsexperten einstimmig die Verschiebung empfohlen haben, die Verantwortung der Sánchez Regierung und von Illa enorm ist, betrifft es sowohl Katalonien als ganz Spanien (…) und sie werden dann in die Geschichte weder für ihre gute Regierung noch für ihre politische Rechtschaffenheit eingehen“. ( https://www.elnacional.cat/ca/opinio/jordi-barbeta-volen-catalunya-esdevingui-desastre_576453_102.html )
Mehr ist nicht da zuzufügen. Der geschätzte Leser kann seine Schlüsse selbst ziehen.
PD: In diesem Artikel, der vor der Einmischung der Gerichte geschrieben wurde, kann man auch mehr über die Vorgeschichte der ganzen Angelegenheit erfahren: https://www.heise.de/tp/features/Corona-sorgt-fuer-Wahlverschiebungen-5026712.html