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Spanische Absurditäten

Viele Abgeordnete im Europäischen Parlament haben vielleicht einen gehörigen Schreck bekommen. Sie haben jetzt erfahren, dass unter ihren Kollegen, wie eine böse Spinne, ein gefährlicher Terrorist lauert. Wenigstens nach der absurden Akrobatik der verdrehten Gehirne von hohen Repräsentanten der spanischen un-Justiz. Wie kommt denn Carles Puigdemont, Abgeordneter in Straßburg und 130. der katalanischen Regierung, zu dieser dubiosen Ehre? Eine kurze Zusammenfassung kann nicht Schaden, auch wenn manche Leser vielleicht schon die Fakten kennen werden.

Während der Gerichtsverfahren gegen katalanischen Politiker, die an der Unabhängigkeitserklärung von 2017 mitgewirkt haben, und in spanischen Kerker lange leben mussten, fanden es in ganz Katalonien damals viele Protestkundgebungen statt. Zu den wichtigsten davon wurde es von einer anonymen Gruppe, genannt „Demokratischer Tsunami“, aufgerufen, deren Mitglieder noch heute unbekannt sind. Es wurde der Flughafen von Barcelona einige Tagen blockiert, und an zentralen Plätzen. besonders in Barcelona, Protestcamps eingerichtet, die sich lange hielten, trotz der -zeitweise brutalen- Aktionen der spanischen Polizei. Es wurde keine Gewalt seitens der Demonstranten angewendet , und alles blieb im Rahmen von dem, was in europäischen Demokratien als legaler Gebrauch des rechtes auf friedlichen Protest und auf Meinungsäußerung eingestuft wird.

Die ultranationalistische spanische un-Justiz, aber bezeichnet es als terroristische Akte, um das Leben im Staate zu destabilisieren. Und in dem Carles Puigdemont (Zitat) „sein Charisma nicht verwendet hat, um diese Aktionen zu bremsen oder zu unterbinden“, wurde er Komplize von terroristischen Aktionen und dadurch selbst Terrorist geworden. Absurder geht es kaum. Aber diesen politisierten spanischen Richter interessiert Puigdemont nur am Rande, als Mittel zum Zweck. Ihr Ziel ist es jede Vereinbarung zwischen den Katalanen und der jetzigen spanischen Regierung unmöglich zu machen, Pedro Sánchez zu Fall zu bringen, und der Weg frei für eine rechte Regierung zu machen, sodass der Status quo des Regimes nicht gefährdet wird. Es hilft ihnen auch der Korruptionsskandal in den an Sánchez sehr nähere Kreisen, in dem einige Leute mit Geschäften mit Masken während der Pandemie bereicherten, eventuell auch mit Abzweigung von EU-Pandemiehilfen. Es wird in Spanien einen politischen sehr heißen März geben.

Das alles gibt, glaube ich, eine Ahnung davon wozu die spanische un-Justiz leider fähig ist.

Lügenmärchenland Spanien

Ich habe es gelesen und konnte es nicht glauben: das Europäische Parlament hat mit einer überwältigenden Mehrheit beschlossen, von Spanien eine Untersuchung über die möglichen Verbindungen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung mit Russland zu erbitten. Über diesen Unsinn hat sich schon der katalanische Europaabgeordnete und 130. Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont, in einem Brief an seine Kollegen geäußert , aber ich muss auch hier meiner Empörung freie Bahn geben .

Wie ein namhafter katalanischer Journalist schreibt, ist es erstaunlich, wie weit die spanischen Ultranationalisten die Entwürdigung der europäischen Institutionen treiben, um ihr vorrangiges Ziel zu erreichen: die sozialistische Regierung von Pedro Sánchez zu Fall zu bringen.

Das Putin den Katalanen viel Geld gegeben hat, um Europa durch diese Flanke zu destabilisieren, ist ein so irrsinniges Märchen, das man kaum verstehen kann, wie vernünftige Leute so was Hanebüchenes glauben können.

Ich weiß jetzt nicht mehr, ob es vor vier oder fünf Jahren dieses Lügenmärchen erfunden wurde. Auf jeden Fall, schon damals wurde es ganz schnell als eine Lüge entlarvt, die aus der Skrupellosigkeit und der Ignoranz der spanischen Geheimdienste entstammte. Erinnern wir uns: Damals (ich weiß nicht ob schon mit dem System Pegasus, oder einem Vorläufer davon) hatten die spanischen Dienste, illegalerweise, sich in den Computern von einer reihe von Katalanen Zugang verschafft, die mit der Unabhängigkeitsbewegung in Verbindung waren. Einer davon war der Journalist J.M.Alay, ein enger Mitarbeiter des Präsidenten Puigdemont. In seinen Dateien fanden die Agenten einen Text, die ihrer Meinung nach konspirativen Kontakt mit russischen Kreisen bewies. Die Wahrheit aber war, dass Alay, ein polyglotter Mensch, dabei war einen russischen Roman zu übersetzen, und der ominöse Text entsprach Wort für Wort einer der Seiten der Übersetzung.

Dieser Irrtum wurde aber keineswegs eingestanden, sondern wurde weiterhin benutzt, um die Legende der „russisch-katalanische Verschwörung“ in Gang zu bringen, in der (wie man jetzt sieht, leider berechtigten) Hoffnung, dass der wahre Sachverhalt irgendwann vergessen werden würde. Auf jeden Fall, dass gerade jetzt diese Fabel aus der Restschublade wieder aufgetaucht ist, erklärt sich aus dem Wunsch der spanischen rechten, wie oben gesagt, die Regierung Sánchez zu Fall zu bringen, und u.a. die Gefahr einer Verständigung mit den Katalanen zu verhindern, die den jetzigen Status quo  des Regimes ins Wanken bringen könnte.

Also, die Untersuchung, die jetzt die Abgeordneten im Europäischen Parlament verlangen (und das sollten sie schon jetzt wissen), kann nur aus weiteren erfundenen Lügenmärchen bestehen. Das aber würde den spanischen Nationalisten keine Mühe machen. Weil im Vergleich zu ihnen, waren die Gebrüder Grimm oder Scheherazade tolpatschige Anfänger.

Panikwellen

In meinem letzten Artikel des zu Ende gegangenen Jahres behandelte ich u.a. die Rolle der spanischen hohen Gerichte bei der Verteidigung des spanischen Ultranationalismus und der Interessen der Gesellschaftskreisen, die davon profitieren. Die Herren Hohen Richter haben jahrelang die jetzt sogenannte „lawfare“  praktiziert, also den Missbrauch ihrer Befugnisse für politische Zwecke, besonders gegen Politiker, Aktivisten oder einfache Demonstranten der anderen Völker des Staates (Katalanen, Basken, Galizier), welche den Status quo der „selektiven Demokratie“ (wie ich es nenne) in Gefahr bringen könnten. Dafür haben sie keine Skrupel gehabt, falsche beweise zu konstruieren, Meineide von Polizisten und Zivilgardisten zu akzeptiere und sogar zu fördern, und entscheiden zu wollen was man in den Parlamenten behandeln  kann und was nicht.

Das Ergebnis der letzten spanischen Wahlen, die den spanischen Ministerpräsidenten zu Verhandlungen mit der katalanischen Partei JxC (Gemeinsam für Katalonien) gezwungen hat, hat das Alarm, ja die Panik, aller Stützen des jetzigen Regimes erweckt, in welchem viele Anhänger der Franco Diktatur und ihre gleichgesinnten Nachkommen einen bequemen Platz gefunden und erfolgreich immer wieder verhindern hatten, dass eine klare Bewältigung der Vergangenheit (wie in Deutschland) stattfinden konnte.

Und diese Panik ist jetzt noch größer geworden. In einem Plenum des spanischen Parlamentes, hat die Fraktionsvorsitzende von JxC, Miriam Nogueras, die Einsetzung  eines Ausschusses gefordert, der alle Fälle von „lawfare“  der letzten Jahre und die Rolle dabei von von ihr namentlich genannten Richter untersuchen und zur Strafe bringen soll. Der Sturm der Proteste bei den Herren Richter kam sofort. Einige der von Frau Nogueras genannten Richter (Llarena, Marchena, Lamela, etc.) haben verlangt, dass diese Petition aus dem Protokoll der Sitzung gestrichen wird (was nicht geschehen ist), und dass gegen Frau Nogueras ein Verfahren eröffnet würde, wegen Einmischung in der Unabhängigkeit der Gerichte und Missachtung der Gewaltenteilung. Als ob sie nicht diese Missachtung ständig praktiziert hätten.

Frau Nogueras, eine integre, tapfere Politikerin, bekommt jetzt (sowohl in der sozialen Medien, wie direkt auf der Straßen) Drohungen und Beschimpfungen, von denen sie sich nicht beeindrucken lässt.

Die politische Lage in Spanien wird die EU in den nächsten Zeiten manche Kopfschmerzen verursachen. Die (durch die ersten Vereinbarungen der Katalanen mit der spanischen Regierung) erfolgte Einsetzung internationaler Vermittler, lässt endgültig die alten spanischen Argumente verschwinden, dass alles eine interne Spanische Angelegenheit ist. Die Entwicklung kann in die Richtung einer Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Katalanen, was ein Erdbeben bei der Ultranationalisten mit unvorhersehbare Folgen verursachen würde, oder kann zu Neuwahlen in Spanien, mit einem genauso unvorhersehbaren Ergebnis führen.

Welche Rechtsstaatlichkeit?

In den unverständlichen Debatte im Europäischen Parlament über die „Gefahren“ für die Rechtsstaatlichkeit in Spanien, welche das geplante Amnestiegesetz bringen würde, sollte man die (von den spanischen Ultranationalisten schändlich instrumentalisierte) Abgeordneten der EVP fragen, welche Art von Rechtsstaatlichkeit sie zu verteidigen glaubten. Der zweifelhafte Charakter der jetzigen spanischen Rechtsstaatlichkeit wird, glaube ich, durch ein Beispiel aus den letzten Tagen mehr als genug entlarvt.

Die Vorgeschichte: Vor wenigen Jahren gab es in Katalonien viele große Demos, um gegen die Inhaftierung von katalanischen Politikern und  ihre Verurteilung durch die Madrider Hohe Gerichte zu protestieren. In einer davon, während eine Attacke der Polizei gegen die Demonstranten, warf ein jünger Mann ihnen einen Feuerwerkknaller entgegen. In jedem Rechtsstaat ist das selbstverständlich strafbar. Aber in welchem Rechtsstaat wäre es möglich, wie in Spanien, dass das Urteil darüber Jahre auf sich warten lässt  und dann sieben Jahre Haft lautet?

Und wie verhält sich dieses Terrorurteil mit der Tatsache, dass die jetzigen Demonstranten gegen das Amnestiegesetz (in Madrid und woanders) soviel randalieren können wie sie wollen, ohne von der spanischen Justiz belangt zu werden?

Und wie verhält sich das mit der bisherigen Untätigkeit der spanischen Justiz gegenüber den Leuten (nicht nur Militärs), die offen zu einem Militärputsch gegen die Regierung aufrufen? Oder gegenüber denen, die zur Ermordung von Pedro Sánchez auch aufrufen, sogar mit Plakaten auf ihrer Demos? Oder mit dem Mann, der eine Fotomontage in die sozialen Medien  mit der Ermordung von J.F.Kennedy gestellt hat, aber mit dem Gesicht von Sánchez, und dazu mit dem begleitenden Text: „Hoffentlich trifft man auch diesmal!“ ? Könnte man eine solche Untätigkeit auch von deutschen Gerichten erwarten, wenn ein sogenannter Reichsbürger (zum Beispiel) so ein Foto mit dem Gesicht von Olaf Scholz veröffentlichen würde? Natürlich nicht. Aber Deutschland ist ein wirklicher Rechtsstaat, während Spanien ist, was ich eine „selektive Demokratie“ nenne, d.h., dass die demokratischen Prinzipien ignoriert werden, wenn es um Katalonien, oder generell um die Interesse des „deep states“ geht.

Und noch etwas möchte ich den EVP Abgeordneten verdeutlichen. Die meisten Katalanen (wie ich auch) wären doch zufrieden in Spanien zu bleiben, wenn der spanischen Staat nach der Eroberung Kataloniens in dem Krieg von 1714 die Katalanen seit damals für sich zu gewinnen versucht hätte. Aber das Gegenteil ist geschehen. In diesen dreihundert Jahren, mal mehr, mal weniger, mal in versteckter Form, mal ganz offen und brutal, hat man Katalonien weiter wie erobertes Gebiet behandelt, immer mit dem Ziel die Katalanen „klein zu halten“. Die Fortschritte Kataloniens in diesen Jahrhunderten sind alle nicht dank der Hilfe des Staates erreicht worden, sondern trotz der Hindernisse, die dieser ihnen  stellte.

Wie ich an anderer Stelle geschrieben habe: den Katalanen, als „erzwungene Spanier“. wurde es nie ermöglicht „überzeugte Spanier“ zu werden. Und das tut der jetziger dubiose spanischen Rechtsstaat weniger denn je. Damit aber schafft man das „katalanische Problem“ nicht aus der Welt, sondern hat es schon lange den Bruch unvermeidlich getan, egal wie lange die effektive Trennung noch dauern sollte.

Vor kurzem, hat der Altsozialisten Felipe González behauptet, dass die katalanische Unabhängigkeits-Bewegung eine Minderheit wäre, „die in Begriff auszusterben ist“. Dass dieser dumme Spruch ein großer Irrtum war, werden ihm die nächsten Zeiten bald beweisen.

Zum Heulen

Es ist wirklich zum Heulen. Was zur Zeit in der spanischen Politik geschieht, wird in Deutschland entweder missverstanden , oder meistens derart vereinfacht erzählt, dass die Erzählung eine lahme Karikatur der Wirklichkeit ist. Und um das Maß voll zu machen, erreicht uns eine Nachricht, die wirklich schwer zu verstehen ist: die Fraktion de EVP im europäischen Parlament hat eine Debatte beantragt, um gegen das vorgesehene spanische Amnestiegesetz vorzugehen, weil das „ein Anfang vom Ende der Rechts-staatlichkeit in Spanien bedeuten würde“.

Diese Debatte ist eine Schande für das Europäische Parlament. Und es ist traurig, dass die deutschen Abgeordneten der EVP sich von den spanischen Ultranationalisten instrumentalisieren lassen. Weil dieses Gesetz, das auch noch dazu nicht zu vollständig sein wird, wie es sein sollte, ist keine Attacke auf die Rechtsstaatlichkeit , sondern im Gegenteil der Anfang der Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit Spaniens gegenüber Katalonien, die in den letzten Jahren von den hohen spanischen Gerichte mit den Füßen getreten wurde, entweder durch Missachtung der geltenden Gesetze (inklusive der Verfassung), oder mit einer willkürlichen Interpretierung davon. Diese Amnestie wäre auch das Mindestmaß an Gerechtigkeit , dass von einem Staat zu erwarten ist, gegenüber Leute, deren Taten in anderen demokratischen Staaten nur als Ausdruck eines legitimen Rechtes auf Meinungsäußerung verstanden würde. Oder in einigen wenigen Fällen vielleicht eine Verwarnung oder eine moderate Geldstrafe verursachen würde, aber nicht so lange Haftstrafen und astronomische Geldstrafen, wie im Falle Kataloniens geschehen ist. Von dem Fraktionsvorsitzender der EVP, Herr Manfred Weber,  hatte ich bis jetzt eine sehr hohe Meinung. Es würde mich sehr traurig machen, diese revidieren zu müssen.

Und in den deutschen Medien wird das Ganze so vereinfacht: Investitur gegen Amnestie. Fertig, aus. Und so einfach ist es bei weitem nicht. Weil in Wirklichkeit es nicht die Amnestie ist, was die spanischen Nationalisten am meisten rot sehen lässt. sondern einer von mehreren anderen Punkten der Pakt zwischen Sánchez und die Partei von Puigdemont, nämlich die Anerkennung von dem nationalen Charakter Kataloniens, die weitreichende Folgen mit sich bringen würde. Dass Katalonien, nachdem heutigen Verständnis des Wortes, eine Nation ist, wird von der realen Geschichte der iberischen Halbinsel bestätigt, aber von der manipulierten Geschichte verneint, die mehrere Generationen von spanischen Nationalisten konstruiert haben. Das im Einzelnen zu erörtern, würde die grenzen eines Artikels überschreiten, aber es ist leicht zu beweisen. Wie jemand aus der spanischen Volkspartei PP dieser Tagen sagte: „Aber dann müssen wir unsere ganze Geschichte neu schreiben!“. Selbstverständlich. Weil jene, die in den Schulen weiter gelehrt wird, viele Elemente enthält, welche in das reich der fabeln und nicht in jenes der Wissenschaft gehören.

Diese tage haben sich wieder Gruppen von pensionierten Militärs und Mitglieder der Guardia Civil gemeldet, die offen für einen Putsch plädieren um „wieder das Vaterland zu retten“, wie im Jahre 1936. Glücklicherweise sind die europäische Verhältnisse ganz anders als damals, sonst hätten wir vielleicht wieder denselben Alptraum. Übrigens die Beteiligung der Bürger an den Demos gegen Sánchez und  gegen die Amnestie ist beträchtlich gewesen, aber nach Schätzungen der spanischen Polizei, bei weitem nicht so zahlreich wie die Organisatoren erwarteten und glauben machen wollen. Tendenz abnehmend.

Wie es auch sei, ein katalanischer Journalist schrieb vor kurzem: „Sánchez hat keine Alternative. Entweder er reformiert den Staat oder dieser wird ihn fressen“. Mal sehen was die nächsten Wochen und Monate bringen.

Bedauerliche Ungenauigkeiten

Wieder mal haben Zigtausende Katalanen für die Unabhängigkeit ihres Landes demonstriert. Und wieder mal, enthalten die Informationen darüber, absichtlich oder nicht, manche Ungenauigkeiten und sogar Unwahrheiten, worüber man nur den Kopf schütteln kann. Lassen wir den Fall der spanischen Presse beiseite, die ihren Lesern eine vollkommen verfälschte Version serviert hat. Man ist daran mehr als gewöhnt. Lassen wir auch beiseite die lächerliche Schätzung der Zahl der Mitwirkenden, welche die Stadtpolizei gemacht hat, die aber verständlich wird, wenn man weiß, dass der oberste Chef der Stadtpolizei, der Bürgermeister von Barcelona, ein entschiedener Gegner der Unabhängigkeitsbewegung  ist.

Was bedauerlich ist, sind eben die Irrtümer in der Berichterstattung der deutschen Presse. Wie sooft kommt es darauf an, von wem die Korrespondenten die Informationen bekommen, und ihre gewöhnten Gesprächspartner sind in der regel die Kreise in der spanischen Hauptstadt, die alles andere als unparteiisch sind. Dazu haben die meisten Medien nur einen Presseagenturbericht kommentarlos wiedergegeben.

Ich möchte hier nur auf ein paar Einzelheiten eingehen (weiter gehen würde den geschätzten Leser nur unnötig ermüden), die mich besonders erstaunt haben.

Die erste: im „Handelsblatt“ wird behauptet, dass der katalanische Exilpolitiker Carles Puigdemont, neuerdings, auf die Forderung von einem Selbstbestimmungsreferendum verzichtet hat, als Bedingung für die Zustimmung seiner Partei für das Weiterbleiben von Pedro Sánchez als spanischer Ministerpräsident. Das ist falsch. Was Puigdemont aufgezählt hat, wobei das Referendum nicht genannt wurde, waren seine Bedingungen, um überhaupt in Verhandlungen einzutreten. Der mangel an Vertrauen in des Wort der spanischen Politiker, wenn es um Katalonien geht, erklärt, warum Puigdemont sich versichern will, dass diesmal ein Wortbruch unmöglich gemacht wird. Man begreift nicht, dass eine Aussage, die so klipp und klar war, derart missverstanden werden kann.

Der andere Punkt in derselben Zeitung: es wird da behauptet, dass diesmal die „moderaten Separatisten“ die sich mit einer Amnestie begnügen wollten, um für Sánchez zu stimmen, zu Hause geblieben sind. Wer diese „moderate „Separatisten“ sein sollen, bleibt das Geheimnis des Berichterstatters. Auch klipp und klar: wer sich mit der Amnestie zufrieden gibt, kann sich nicht als Separatist bezeichnen.

Und, als letzte, wird in der TAZ gesagt: „Maximalpositionen sind nicht hilfreich, weder für Pedro Sánchez noch für die Nationalisten“ Aber dabei wird verkannt, dass Amnestie und das recht der Katalanen auf Selbstbestimmung für die Katalanen keine Maximal- sonder Mindestpositionen sind. Erfahrung macht eben klug.

Es steht der spanischen Seite natürlich frei, einen Vorschlag über mögliche Reformen des Verhältnisses mit Katalonien zu machen, so dass die Katalanen entscheiden können zwischen der Unabhängigkeit und eben dieser Vorschlag. Davon scheint man aber noch entfernt zu sein.

Spanischer Matsch

, Es gibt eine spanische Redensart: der Staub von einst hat den Matsch von heute gebracht. Und die ist höchst angezeigt, um das jetzige politische Durcheinander zu verstehen. Es gibt bestimmt viele Leute in Europa, nämlich die, welche den katalanischen Konflikt, wenn überhaupt nur am Rande, bemerkt haben, die nicht verstehen werden, warum die katalanische Partei, die das Zünglein an der Waage ist, nicht eine linke Regierung möglich macht und riskiert dann, dass später eine rechtsradikale kommen könnte. Die Antwort ist aber sehr einfach. Weil in Spanien, was Katalonien betrifft, bis jetzt kein Unterschied war zwischen Rechte und Linke. Beide haben, besonders in den letzten Jahren, eine Politik verfolgt, die für Katalonien fatal war, sowohl finanziell wie kulturell und sozial. Versprechungen wurden nicht eingehalten, und Vereinbarungen ohne Skrupel gebrochen.

Für jene, die damals das geschehen in Spanien nicht verfolgt haben, schauen wir ganz kurz, welcher alte „Staub“ den heutigen Matsch gebracht hat. Vor einigen Jahren wurde das katalanische Autonomiestatut in einer Weise reformiert, die den freiwilligen Verbleib der Katalanen in dem spanischen Staat garantiert hätte. Das neue Statut wurde durch ein Referendum von der katalanischen Bevölkerung akzeptiert, es wurde von dem katalanischen und dem spanischen Parlament verabschiedet und vom König unterschrieben. Alles war  im bester Ordnung. Dann aber, die rechte Partei PP, die Volkspartei wo viele alten Chargen des Franco-Regimes sich eingenistet hatten, erhob bei dem spanischen Verfassungsgericht Klage gegen das neue Statut, und das Gericht, das eine Mehrheit der spanischen Ultranationalisten hatte (und weiterhin hat),  hat dem PP recht gegeben und die wichtigsten Klauseln des Statuts für null und nichtig erklärt. Das war der Startschuss für das schnelle Wachstum der Befürworter der Unabhängigkeit, das zu dem Referendum vom Oktober 2017 führte, und zu der darauffolgenden brutalen Repression seitens der spanischen Machthaber, die immer noch dauert.

Das war der Staub, welche die Ewiggestrigen verursachten, und den heutigen Matsch gebracht hat. Einen Matsch, in welchen die spanische Politik bis an die Knie steckt und nicht weiß, wie sie sich daraus zu befreien hat, ohne Schaden für den bisherigen Status quo, der für sie si bequem und gewöhnt ist.

Die Bereitschaft und die Bemühungen der Katalanen die Regierbarkeit Spaniens seit dem Tod Francos möglich zu machen ist schlecht belohnt worden. Daraus hat man endlich gelernt. Und aus dem Matsch kommen die spanischen Parteien nicht so leicht wieder raus. Bei Neuwahlen ist gut möglich, dass die Unabhängigkeitsbefürworter, die bei den letzten Wahlen zu Hause blieben, diesmal für die Parteien stimmen, die jetzt standhaft bleiben, und damit der Matsch noch tiefer wird.

Wehret den Anfängen!

In einem Urteil hat der Europäische Gerichtshof vor ein paar Tagen den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes Carles Puigdemont, Toni Comin und Clara Ponsatí, die Immunität entzogen, auf welche sie durch ihren Sitz in Straßburg  ein Anrecht haben. Es ist hier unwesentlich, welche legalistischen Argumenten das Gericht dazu gebracht haben sich der Argumentation der spanischen politisierten Gerichten anzuschließen. Es ist und bleibt, für alle überzeugten Europäer, einen unverständlicher, ja beschämender, Vorgang. Es ist nur zu hoffen, dass die nächste und höhere Instanz, das EU Justizgericht diese Entscheidung kippt

Ich schreibe diese Linien nicht als Katalane, der andere Katalanen verteidigen will. Ich schreibe es als leidenschaftlicher Europäer, der die Prinzipien der EU in Gefahr sieht. Weil dieser Urteil nichts anderes ist als ein Giftpfeil gegen die rechte des Europäischen Parlamentes und gegen jedes seiner Mitglieder. Es ist, auch wenn das nichts die Absicht des EUGH wäre, eine unerhörte Einmischung in Bereiche, über die nur das EU Parlament und niemand anderes entscheiden sollte. Ansonsten könnte es eines Tages passieren, dass wie in Spanien die Gerichte darüber entscheiden, worüber im Parlament zu debattieren hat oder nicht, wer welche Posten haben darf oder nicht, u.s.w. Hier gilt besonders der alte deutsche Satz: wehret den Anfängen!

Denn, die politischen Verhältnisse in den Mitgliederstaaten der Union können sich durch die Weltkrisen ändern, und was heute drei Katalanen trifft, kann morgen drei Polen, drei Schweden, drei Italiener oder sonst wen treffen. Und am Ende des Weges würde unweigerlich die Auflösung der EU wie sie heute ist und wie sie von den meisten Europäer gewünscht wird.

Meine bescheidene Meinung ist, dass niemand anders als das Plenum des Parlamentes über einen Immunitätsentzug entscheiden sollte. Was die Gerichte machen könnten, wäre den Antrag an das Parlament zu stellen, mit genauen Angaben der gründe, die nicht auf interpretationsfähigen Behauptungen basieren sollten, sondern auf bewiesene, nachprüfbare Tatsachen. Und, auch meiner Meinung nach,  dürften diese Gründe nie einen politischen Charakter haben, sondern einen klaren verbrecherischen Tatbestand, wie Mord, Raub, Hochverrat zum Nachteil eines oder mehrerer Länder der Union, u.s.w.

Stellen wir uns vor, dass Großbritannien heute noch Mitglied der EU wäre, und stellen wir uns auch vor . dass schottischen Mitgliedern des EP die Immunität entzogen werden würde, weil sich für die Trennung von England mit demokratischen, friedlichen Mitteln engagiert hätten. Würde das Europäische Parlament das auch tolerieren? Hoffentlich nicht.

„Unser“ Europäisches Parlament hat sich nach und nach seine rechte erkämpfen müssen. Es sollte jetzt nicht dulden, dass ein paar davon (und zwar für jedem seiner Mitglieder sehr wichtigen) durch die Hintertür aufgeweicht werden. Wehret den Anfängen!

Spanien ist leider anders

Wann die Europäer es sich nach dem zweiten Weltkrieg leisten konnten, Urlaub in anderen Gegenden zu verbringen, benutzte die Franco-Regierung, mit Erfolg, den Slogan Spain is different , um von dem touristischen Boom zu profitieren. Und Spanien ist -leider- auch in anderen Feldern different geblieben.

Wenn der spanische Ultranationalismus seine Ansichten in Gefahr sieht, ignoriert er sogar die Wirklichkeit, erfindet eine Art „parallele Wirklichkeit“, die für ihn angenehmer ist, und hat keine Probleme damit, Grundprinzipien oder sogar Anordnungen der internationalen Gremien zu ignorieren und zuwiderhandeln. Wie jetzt auch wieder.

Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen  hat unmissverständlich festgestellt in einer Resolution vom 14.03.23, die am 15.05 auch auf spanisch veröffentlicht wurde, dass die Absetzung des katalanischen Landespräsidenten Puigdemont im Herbst 2017 keinen legalen Grund hatte, also widerrechtlich war, fordert eine Wiedergutmachung des angetanen Unrechtes, und gibt Spanien eine Frist von 180 Tagen, um darzustellen, welche Schritte unternommen werden, um diese Wiedergutmachung zu leisten. Der Text kann in diesem Artikel von Prof. Dr. Schönberger gelesen werden: https://www.change.org/p/solidarit%C3%A4t-mit-katalonien-f%C3%BCr-das-recht-auf-friedliche-selbstbestimmung/u/31596034

Und wie ist die erste Reaktion von „^different Spain“? In einem Radio-Interview hatte die spanische Justizministerin Nadia Calviño die Chuzpe zu behaupten, dass „in Wirklichkeit“ die genannte Resolution nichts anderes bedeutet, als dass Puigdemont sich den spanischen Behörden stellen muss, um für die Geschehnisse im Oktober 2017 bestraft zu werden.

Dass Politiker nicht immer die Wahrheit sagen ist leider bekannt. Aber dass sie so schamlos und sinnlos lügen, ist schon seltener. Sinnlos, weil es so leicht ist zu beweisen, dass die Ministerin gelogen hat. In diesem Fall, wie in vielen anderen, erweist sich dass, wenn es um Katalonien geht, es in Spanien keinen Unterschied gibt zwischen den Ultranationalismus von Rechten und Linken.

Und man fragt sich immer wieder, nicht nur als Katalane, sonders besonders als überzeugte Europäer, warum die europäischen Institutionen noch nicht Spanien genauso wie Polen oder Ungarn behandeln, warum scheinen sie immer ein Auge zuzudrücken, wenn es um die ach so „perfekte“ Demokratie Spaniens geht.

Parlament, Kommission, Europarat, alle sollen die europäische Grundprinzipien verteidigen und ihre Anwendung überall in der Union fordern: Dass sie in dem spanischen Fall nicht tun, ist ein verhängnisvollen Fehler, der sich irgendwann bitter rächen wird.

Eine Momentaufnahme

Seit sieben Jahren berichte ich in diesen Seiten über den Konflikt zwischen Katalonien und Spanien. In den letzten Zeiten sind meine Berichte aber sehr spärlich geworden. Einerseits wegen Gesundheitsproblemen, aber hauptsächlich weil ich gedacht habe, dass das Klein-Klein der Entwicklung keine Aufmerksamkeit der deutschen Leser finden und unter dem Gewicht der gravierenden Ereignisse der Weltpolitik verschwinden würde.

Heute aber möchte ich den geschätzten Lesern eine Momentaufnahme der Lage anbieten, die mit einem Satz beschrieben werden könnte: trotz aller Widrigkeiten brodelt der Topf weiter. Das heißt: die starke spanische Repression gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, die willkürliche „Lawfare“ der spanischen Ultranationalisten in den Hohen Gerichten, haben zwar den Erfolg gehabt, die Angst bei vielen Politiker zu schüren, die um ihre Freiheit und ihren finanziellen Ruin fürchten müssen, und deswegen praktisch auf das Ziel der Unabhängigkeit faktisch verzichtet haben. Damit glauben anscheinend die Machthaber in Madrid, das Problem schon erledigt zu haben und sprechen von einer „wiedergewonnenen Normalität“. Eine „Normalität“ in der etwa 3.500 Katalanen entweder in Haft oder mit Gerichtsverfahren belastet sind, mit der Gefahr zu Gefängnis oder  sehr hohen Geldstrafen verurteilt zu werden, viele von ihnen nur, weil sie an Demonstrationen gegen die spanische Willkür teilgenommen haben,

Und diese Willkür erleiden viele auch im Alltag. Ärzte verweigern ihre Hilfe, wenn sie auf katalanisch angesprochen werden, Polizisten schlagen oder verhaften Bürger wegen desselben „Verbrechen“, usw. usw…

Die Politiker in Madrid wollen immer noch nicht begreifen, dass dieses Problem nur mit friedlichen, demokratischen Mitteln zu lösen ist, nicht mit Gewalt, nicht mit einer parteiischen Justiz, nicht mit der Ignorierung aller Grundprinzipen der Europäischen Union.

Und wenn sie (wenigstens in der Öffentlichkeit) meinen, das jetzt das Problem bewältigt worden ist, werden sie ihr blaues Wunder erleben. Weil die große Masse der Katalanen, die in Massendemos in Millionenstärke für die Unabhängigkeit immer wieder demonstriert hat weit davon entfernt ist jetzt zu resignieren. Überall im Lande organisieren sich immer mehr Bürge in Vereinen oder Komitees, die untereinander und mit den katalanischen Exilpolitikern Verbindung suchen. Neue, jüngere Leader bilden nach und nach den Kern für eine neue Führung, und zukünftige Wahlen (vielleicht schon die Kommunalwahlen im nächsten Mai) können das politische Panorama durcheinander wirbeln.

Der spanische Regierungschef, der Chamäleon Pedro Sánchez und die europäische Institutionen sollten sich weniger falsche Illusionen machen. Der katalanische Topf brodelt weiter.