Stimmen eines Volkes

Der skandalöser Schauprozess gegen 9 katalanische politische Gefangene und andere 3 vorläufig noch in Freiheit lebende Angeklagten (siehe „Die  große Farce“ -1 bis 15 – ) ging am 12. Juni 2019 mit den Schlussworten der Angeklagten zu Ende. Die (wahrscheinlich harten) Urteile werden gegen Ende September oder Anfang Oktober erwartet. Die Schlussworte der Angeklagten sind ein bewegendes Dokument der Menschlichkeit und Würde und zeigen wie würdig diese Menschen sind, als Stimme eines Volkes betrachten  zu werden, das für Demokratie und grundsätzlichen Rechte einsteht und kämpft.

Diese Schlussworte sind von Prof. Dr. Axel Schönberger ins Deutsche übersetzt worden, jeweils mit einem erklärenden Begleittext. Ich werde meinen Lesern in ein paar Artikeln Extrakte davon anbieten, jeweils mit dem Link zum vollständigen Text. Ich mache den Anfang mit den Worten von Jordi Turull, ehemaliger Minister im katalanischen Präsidentenamt. (vergleichbar mit dem deutschen Staatsminister im Bundeskanzleramt).

„.,.. Sie verwechseln nämlich abweichende Meinung, Kritik und Protest mit ‚Angriff‘ und ‚Respektlosigkeit‘. Und diese Logik, Kritik mit mangelndem Respekt zu verwechseln, mit einem ‚Angriff‘, gibt es nur bei Denkweisen. die ihrer selbst sehr unsicher sind, oder bei autoritären Geisteshaltungen. So etwas gibt es nie und nimmer in Systemen, die ein festes Vertrauen in sich selbst haben, oder bei zutiefst demokratischen Mentalitäten…

…Wir sahen [im Ablauf der Gerichtverhandlung] wie man Kritikpunkte an dem Verfassungsgericht oder an Gerichtsentscheidungen mit einem Angriff auf oder der Missachtung des Justizsystems gleichsetzte. Kritik oder Proteste im Angesicht der Polizei setzte man mit Angriffen auf die Polizei oder noch Schlimmerem gleich. Äußerungen, die in der Hitze der Debatte und der politischen Rhetorik durchaus üblich sind, werden von einigen der Ankläger als Aufrufe zu einer ich weiß nicht wie verdrehten Weise der Anstachelung zu Gewalt interpretiert…

…Den Anklägern war alles recht. Sie wollten nicht etwa wissen, was sich ereignete, oder wie es sich ereignete oder warum es sich ereignete, sondern sie wollten, dass eine ‚Bestrafung‘ erwirkt wird (und man hat es hier gesagt!), die, wie jemand es ausdrückte, die Souveränitätsbewegung um jeden Preis enthaupten soll, auch wenn dieses „um jeden Preis“ darin bestehen sollte, das Rad der Geschichte bezüglich der tatsächlichen Verwirklichung der grundlegenden Rechte und Freiheiten um sehr viele Jahre zurückzudrehen, auch wenn dieses „um jeden Preis“ bedeutet, die [rechtlichen] Normen und Spielregeln für die einen so und für die anderenganz unterschiedlich auszulegen…

…Außerdem wurde aber noch all dies mit einem Mangel an Sorgfalt und Genauigkeit bezüglich der Fakten, Daten, Personen, Orte, der personellen Struktur, der Kenntnis der Arbeitsweide der Verwaltung der katalanischen Regierung oder des katalanischen Parlaments vorgebracht, die einen wirklich zum Erröten bringt…

…In diesem Prozess geht es auch um das Ausmaß, das wir den Grundrechten und grundlegenden Freiheiten einräumen. Für uns und vor allem für unsere Kinder. Denn wenn man sich auf den Bericht und die Interpretation einlässt, die die Staatsanwaltschaft davon macht, kann ich Ihnen versichern, dass wir in vergangenen Zeiten zurückkehren werden…

Ich bestehe auf dem, was ich während meiner Befragung gesagt habe: Die Katalanen sind keine Schafe, und Gewalt war nie, weder durch Handeln noch durch Unterlassung, Teil ihres Verhaltenskodex! Wie sie auch nie Teil meines Verhaltenskodex war, sie war es nie und wird es nie sein. Und nie bedeutet nie…

…Unendliche Dankbarkeit den Tausenden und Abertausenden von Menschen, die alles unternahmen, damit wir uns zu keinem Zeitpunkt allein fühlten. Sie haben ihre ganze Kraft auf uns übertragen. Sie haben uns unterstützt und uns bestätigt. Und noch mehr Dankbarkeit für die Art und Weise, wie sie es getan haben, für ihren positiven, immer friedlichen Aktivismus, so groß wie ihre Empörung über eine solche Situation auch gewesen sein mag. Ihre Unterstützung in Form von Tausenden von Briefen, wie sie sich ständig auf den Plätzen versammeln, Berge besteigen, lange Strecken zurücklegen, Menschenpyramiden vor den Gefängnissen errichten, wie sich sehr viele Leute vor den Gefängnissen versammeln um uns „Gute Nacht“ wünschen, sei es zu Weihnachten, sei es am Jahresende usw., wie sie Konzerte geben, auf der Straße  im Stehen singen. Ich glaube dass ich nicht genug Jahren leben werde, um so vielen Menschen so vieles danken zu können…

…Und ich komme zum Ende, ich beende meine Ausführungen mit Engagement. Ich will niemanden täuschen. Ich kam als wegen meiner politischer Tätigkeit Angeklagter auf diese Bank. Und wegen meiner Ideen. Und weil ich, nachdem ich zum ersten Mal aus dem Gefängnis entlassen wurde, meine politische Tätigkeit nicht aufgab. Sie suchen nach Unterschieden unter denjenigen unter uns, die wir in den vorderen und in den hinteren Reihen sitzen: Voilà. Ich stehe hier wegen meiner Ideen vor Gericht und weil ich meiner politische Tätigkeit nicht entsagt habe. Und das sage nicht ich. Es wurde ganz offen während der Untersuchung schriftlich niedergelegt…“

Und solche Menschen werden mit Hilfe von Lügen und Meineide zu langen Gefängnisstrafen verurteilt werden. Wenn Europa im Vorfeld so ein Unrecht stillschweigend geduldet hat, soll es nachher sich nicht wundern, wenn die Reaktionen der Katalanen auf die zu erwartenden Unrechtsurteile deutlicher ausfallen als man jetzt vielleicht denkt.

Der Link zur vollständigen Text ist: https://www.change.org/p/12429466/u/24903589

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Ein Kommentar

  1. Rugai

    Noch schlimmer als die entwürdigende Behandlung der Angeklagten finde ich, dass solche „Urteile“ als Blaupause für die gesamte EU dienen könnten um jegliche Kritik an den „Irren in Brüssel und in der NATO“ sowie deren Marionetten in den nationalen Parlamenten im Keim zu ersticken….siehe z.B. auch „Julian Assange“….

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