Spanische Verhältnisse und deutsche Missverständnisse

In meinem vorigen Artikel bedauerte ich, dass sowohl das deutsche Auswärtige Amt, wie auch die meisten Politiker anderer europäischen Staaten, auf die geschönten offiziellen Corona Daten de spanischen Zentralregierung hereinfielen. Heute möchte ich, unter anderem, etwas zur Ehrenrettung dieser Gutgläubigkeit der europäischen Demokraten aufführen, wobei ich mich auf die Deutschen konzentriere, da ich, nach 60 Jahren in diesem Land, glaube ich, mir ein Urteil darüber erlauben zu können.

Der Dreh- und Angelpunkt aller deutscher Missverständnisse über den Charakter von Spaniens angebliche Demokratie ist das Amtsverständnis von deutschen Politikern, Richtern, Staatsanwälten und sonstige Amtsträgern. Für alle (minimale Ausnahmen gibt es überall auf der Welt) ist es prinzipiell undenkbar, das Gesetz zu brechen oder zu ignorieren, oder Lügen, Meineide und Verleumdung als willkommenen Helfershelfer zu benutzen. Und deswegen steht wahrscheinlich außerhalb ihrer Vorstellungsvermögen zu verstehen, dass in Spanien, das für sie als konsolidierte und anerkannte Demokratie gilt, solche Ungeheuerlichkeiten tägliche Praxis sein können. Das ehrt sie, aber dadurch ist Spanien eben zur „europäischen Gefahr“ geworden, und zwar nicht nur wegen der Pandemie.

Vor etwa zwei Jahren schrieb ich hier, dass Spanien eine „selektive Demokratie“ wäre. Damit meinte ich, dass „in den meisten Fragen der Regulierung des Alltags der spanischen Bürger“ die Demokratie funktionierte wie auch anderswo. Aber, dass “ wenn das ‚heilige Dogma‘ der spanischen Einheit in Frage gestellt wird, dann ist es mit der Rechtsstaatlichkeit vorbei“.

https://peregraurovira.wordpress.com/2018/03/30/spanien-eine-selektive-demokratie/

Einmal schrieb ich auch: „das deutsche Verfassungsgericht ist eine Zierde für Deutschland, das spanische ist eine Schande für Spanien“. Und dasselbe kann man sagen von den anderen spanischen Hohegerichten (Obergerichtshof, Nationale Audienz, etc. ) wo eine Mehrheit der Mitglieder (oft auf dubiose Art) mehr wegen ihre politischen ultranationalistischen Gesinnung als durch reguläre Verfahren wegen ihrer Qualifikationen ernannt worden sind.

Die politisierten Richter dieser Justizgerichte fühlen sich in ihren Rechtsverletzungen derart unangreifbar, dass sie vergessen zu haben scheinen, dass es in anderen Ländern ehrenhafte Richter gibt, die sich nicht so schändlich verhalten wollen wie die spanischen. Und so bekommt die spanische „Justiz“ eine Ohrfeige nach der anderen.

Jetzt ist es die belgische Justiz, die wieder ein von Spanien beantragten europäischen Haftbefehl gegen einen ehemaligen katalanischen Minister zurückgewiesen hat. Der Landeskultusminister der unrechtmäßig abgesetzten Regierung von Präsident Puigdemont, Lluís Puig, war wegen „Veruntreuung und Ungehorsam“ angeklagt, wobei als „Veruntreuung“ hier gemeint war, dass er Staatsgelder für die Durchführung des Referendums vom 1.10.2017 angewendet haben sollte, ein Tatbestand, der woanders nie als Veruntreuung gelten würde, und außerdem falsch war, weil in dem Skandalprozess gegen neun prominente katalanische Politiker bewiesen wurde (was das Gericht einfach ignorierte), dass in der Finanzierung des Referendums keine öffentliche Gelder geflossen waren.

Die Verteidigung brauchte aber nicht mal auf diese Tatsachen hinzuweisen, sondern es reichte zu beweisen, dass del spanischer Obergerichtshof, für dieses Auslieferungsbegehr keine Zuständigkeit hatte. Die belgische Richter haben sich dem angeschlossen und den Haftbefehl zurückgewiesen. Detaillierter kann man es hier ausführlich lesen:  https://www.heise.de/tp/features/Belgische-Justiz-tritt-Spanien-nun-noch-fester-vors-Schienbein-4866050.html

Bis jetzt ist Deutschland, wie auch die anderen Länder der EU, immer davon ausgegangen, dass in Spanien dieselben demokratischen Regeln   herrschen und beachtet werden wie in der ganzen Union. Es wäre an der Zeit aus diesem schönen Traum aufzuwachen, und sich endlich bewusst zu werden, dass in vielen Bereichen Spanien keineswegs besser ist als Ungarn, Polen, oder sogar als die Türkei. Und solange das so ist, werden alle Konflikte in Spanien, die irrtümlich als „innerspanische Angelegenheiten“ eingestuft worden sind, und dass schon lange als „europäische Angelegenheiten“ gelten sollten, nicht zu lösen sein und werden sich noch verschärfen. Leider…

 

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