Parteiische Richter gießen mehr Öl ins Feuer
Am Montag, den 18.11.19 saß der katalanische Ministerpräsident Quim Torra auf der Anklagebank vor einem Tribunal des Obergerichtshofs von Katalonien (deren Mitglieder von den politischen Parteien in Madrid ernannt werden). Die Anklage: Ungehorsam gegen die Anordnungen der spanischen Wahlbehörde vor den spanischen Wahlen im April 2019 Transparente aus dem katalanischen Regierungsgebäude und aus anderen Behörden zu entfernen, die die Freiheit der politischen Gefangenen verlangten, da sie als unerlaubte Wahlpropaganda zu betrachten seien. (siehe: https://peregraurovira.wordpress.com/2019/03/23/die-grosse-farce-7-und-der-farbenkrieg/ ). Das Urteil (wenn die juristische Strategie der Anwälte von Torra es nicht verhindert) soll mit unübliche Eile sehr bald verkündet werden, und es ist fast sicher, dass es das Verbot öffentliche Ämter zu bekleiden während 1,5 Jahre und eine Geldstrafe von 30.000 € beinhalten wird (das ist die Forderung des Staatsanwalts). Ein solches Urteil würde die Lage in Katalonien noch explosiver werden lassen.
Schon einen Tag vorher hat Präsident Torra gesagt, dass er nicht zum Prozess gehen würde, um sich zu verteidigen, sondern um den Staat anzuklagen ( https://www.elnacional.cat/en/politics/torra-eve-trial-accuse-state_442713_102.html ). Und vor den Richtern hat Torra mit seinen Schlussworten einiges klargestellt. Erstens, weder die spanische Verfassung, noch irgendeines spanisches Gesetz erlauben den spanischen Wahlbehörden irgendeine Anordnung an den Präsidenten der autonomen Regionen zu erteilen. Also Anordnung und Verbot waren illegal. Zweitens, waren die Transparenten keine Wahlpropaganda, sondern Ausdruck der Meinungsfreiheit über eine Frage sozialen Charakters, und als Präsident ist er verpflichtet die Meinungsfreiheit in Katalonien zu respektieren und zu verteidigen. Und weiter: „Es ist außergewöhnlich, dass ein amtierendes Präsident vor einem parteiischen Gericht auf der Anklagebank sitzen muss und deswegen verteidigen so viele Menschen eine katalanische Republik (…) Als President der Generalitat konnte und sollte ich der Anordnung der Wahlbehörde nicht Folge leisten. Man kann nicht eine illegale Anordnung akzeptieren. Wenn ich verurteilt werden soll sei das Urteil willkommen, aber ich werde niemals darauf verzichten, die Rechte der Katalanen zu verteidigen, ich werde niemals darauf verzichten das Recht auf Selbstbestimmung zu verteidigen. (…) Sie können mich verurteilen, aber sie werden dem Willen des katalanischen Volkes nicht ändern. ( https://www.vilaweb.cat/noticies/judici-quim-torra-boye-tsjc-cronica-josep-casulleras/ )
Die Anwälte von Torra haben in ihren brillanten Interventionen viele Fehler dieses Verfahrens zu Tage gefördert wie die Parteilichkeit der Richter und die oft sehr fehlerhafte Anklageschrift. Aber wie jemand dieser tage geschrieben hat: „Spanische Justiz: zwei unvereinbare Worte“.
Der Starjournalist Vicent Partal schreibt dazu u.a. : „Eine Verwaltungsbehörde, wie die spanische Wahlbehörde eine ist, nicht zu gehorchen, kann einem von den Bürgern gewählten Präsident das Amt kosten. Da wo man das erzählt -ich meine außerhalb des spanischen Staates- will keiner das glauben, so absurd ist das in einem demokratischen Kontext (…) Das Ungehorsam gegen eine Anordnung, die man als illegitim betrachtet, ist zwar außergewöhnlich, aber sie wird in jedem demokratischen Staat als Ausdruck einer politischen Konfrontation angesehen, aber nicht als ein Delikt…“. Und weiter : „Der Prozess, ist ein Ausdruck eines weitergehenden Manövers, das daran besteht, die Institution der Präsidentschaft der Generalitat niederzureißen, ihren politischen Charakter zu zerstören und sie zu einer Art einfacher regionaler Verwaltungseinheit zu reduzieren (…) Es ist also nicht ein Prozess gegen Torra, sondern gegen die Existenz der Generalitat und von dieses politisches Wesens mit eigenem Leben, das Katalonien ist. Ein politisches Wesen, das jahrhundertelang Hindernisse überwunden hat, das immer wieder wiederauferstanden ist, und das der spanische Staat, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, immer zu erwürgen versucht hat. Wie wir heute, leider, wieder erleben können“.
Das alles, wird von „Fake News“ in der spanischen Presse begleitet, die leider von manchen ausländischen Korrespondenten unbenommen weitergegeben werden. Zum Beispiel der Spanien Korrespondent von der österreichischen „Die Presse“ meldet, dass „Spaniens Behörden haben offenbar Hinweise darauf, dass Torra einer der Hintermänner der Krawalle sein könnte, mit denen radikale Separatistengruppen vor Kurzem für Chaos in Barcelona sorgten“. Und das ist eine Ungeheuerlichkeit. Es ist sattsam bekannt, dass Torra -Schriftsteller, Historiker und Moralist- von je her jedwede Art von Gewalt immer verurteilt hat. Und dass er jetzt nur für einen friedlichen zivilen Ungehorsam gegen die Willkür der spanischen Zentralregierung plädiert hat. Und -wie in diesen Seiten schon berichtet- es ist auch mehr als bekannt, dass die Ausbrüche von lokaler Gewalt in Barcelona und woanders nur da entstanden sind wo die Polizeikräfte angefangen haben Bürger wahllos zu prügeln. Wo die Polizei sich auf eine observierende und begleitende Rolle bei den Demonstrationen beschränkte, passierte gar nichts. Nur die spanischen Machthaber wollen partout nicht begreifen, dass in Katalonien jetzt die Bürger selber die Initiative ergriffen haben, ohne dass politische Strippenzieher dafür notwendig gewesen wären. Wie sie auch so vieles in Katalonien nicht verstehen, weil so vieles dort in ihr nationalistisches Bild der spanischen Nation nicht passt.
Der Prozess gegen Torra ist das Werkzeug, um einen unbequemen katalanischen Politiker willkürlich und widerrechtlich aus dem Amt zu entfernen. Womöglich wird aber sein Nachfolger noch „schlimmer“, noch unbequemer sein. Irgendwann werden wir das feststellen können.
Über andere internationale Mahnungen gegen die spanischen Justiz: