Nachrichten aus Absurdistan

Viele deutsche Politiker und Journalisten behaupten weiterhin, dass Spanien eine bewährte Demokratie ist, die keine europäische Werte und Prinzipien verletzt, wenn auch es etwas mehr Flexibilität in dem Katalonien-Konflikt zeigen sollte. Diese Position ist selbstverständlich sehr bequem und vermeidet tunlichst unliebsame Fakten ins Auge nehmen zu müssen. Währenddessen, trifft aber die spanische Regierung immer wieder neue Entscheidungen, die dieses ideale Bild einer lupenreinen Demokratie in den Bereich des Absurden bringt, wie der letzte Handstreich in diesem südeuropäischen Absurdistan jetzt zeigt.

Es ist eine unbestrittene Norm in allen demokratischen Ländern, dass eine Steuererhöhung keine rückwirkende Geltung haben darf, sonst würde jede wirtschaftliche und kaufmännische Planung uns Sicherheit unmöglich gemacht. Das schert aber die spanische Regierung (mit Verlaub) einen feuchten Dreck, und Finanzminister Montoro hat die Kriterien für die Anwendung der Mehrwertsteuer auf Kulturleistungen geändert, auch rückwirkend für den letzten drei Jahre. Einer der Hauptgründe für diesen Husarenstreich ist es gewesen, das katalanische Fernsehen TV3 ins Mark zu treffen. Auf Grund des neuen Gesetzes hat das spanische Finanzministerium an TV3 eine Forderung über 168 Millionen Euro, wovon 30 Millionen gleich zu entrichten sind. Das stellt die Kontinuität des Senders in Frage. TV3 -dessen Qualität in den europäischen Fachkreisen hochgelobt wird (bitte seite 10 lesen)– ist seit eh und je ein Dorn im Auge der spanischen Machthaber, weil es anders als die wichtigsten spanischen TV-Sendern seine Unabhängigkeit bewahrt hat und sich nicht als bloßer williger Verkünder von alldem was die spanische Regierung verbreiten will -sei es richtig oder falsch- benutzen lässt.

Das Gesetz trifft aber nicht nur das unliebsame katalanische Fernsehen. Festivalen, Theater und Museen haben auch ihr fett bekommen. Die drei wichtigsten Museen in Barcelona müssen zum Beispiel insgesamt mehr als 3 Millionen Euro nachbezahlen. Und jeder weiß wie knapp die Finanzen solcher Häuser bemessen sind. Die Begründungen der spanischen Behörden sind alles andere als überzeugend, zum Beispiel wenn es darum geht, warum diese Forderungen bei manchen ja und bei manchen nicht erhoben werden. Es ist auch nicht zu verstehen warum Fernsehen, Theater, Museen, etc. höher besteuert werden, während für die Stierkämpfe die MWS von 21  auf 10 % gemäßigt wird. Und es ist auch keine Überraschung, dass die Steuerprüfungen für den letzten 5 Jahren sich auffällig überwiegend auf die Gebiete konzentrieren, die als „aufmüpfig“ gelten. Katalonien und neuerdings auch Valencia.

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Cristóbal Montoro

Und während Finanzminister Montoro europäische eherne Regeln ignoriert, verkündet sein Kollege Wirtschaftsminister de Guindos wieder die ökonomische Apokalypse für Katalonien, und muss sich anhören, dass er dabei dilettantisch Jahres- und Quartalzahlen verwechselt hat, und auch dazu von falschen Daten ausgegangen ist. Einfach toll.

Minister de Guindos hatte gleich nach Neujahr verkündet, dass die ganze politische Unsicherheit Katalonien im letzten Quartal 1 Milliarde Euro gekostet hat. Die Generaldirektorin für ökonomische Analyse im katalanischen Wirtschafts-Ministerium, Natàlia Mas Guix, hat das umgehend berichtigt. Die Rechnung war begründet auf ein Wirtschaftswachstum von nur 0,4 %, aber fürs ganze Jahr, nicht für das letzte Quartal, sodass die Kosten dann nur ein viertel von denen sein würden, die Minister de Guindos genannt hat. Aber sogar das kann man bezweifeln. Es gibt eine spanische Behörde in Madrid, die den Auftrag hat, die Zweckmäßigkeit der Ausgaben der autonomen Regionen zu kontrollieren, und ihre wirtschaftliche Entwicklung fachlich zu studieren. Diese Behörde, AIReF (spanische Abkürzung für „Unabhängige Autorität für Fiskalische Verantwortung) hat aber für Katalonien und das letzte Quartal 2017 ein Wachstum von 0,7 % und für 2018 von 0,8 % errechnet, unabhängig von der politischen Entwicklung. Und damit sind die vollmundigen Worte des Ministers Makulatur. Aber in Deutschland finden sie weiter Verbreitung.

Auch was die angebliche „massenhafte Firmenflucht“ aus Katalonien betrifft, gibt es einen ungeklärten Zahlentanz. Madrid spricht von über 3.000 Firmen, welche ihrem Sozialsitz aus Katalonien genommen haben. Demgegenüber verlautet die Stellungnahme der zuständigen Stelle im katalanischen Wirtschaftsministerium, dass bei ihnen nur 332 entsprechende Änderungen Aktenkundig sind.

Vieles von dem, was sich spanische Minister leisten, würde ihnen in Deutschland, Dänemark oder den Niederlanden (nur um ein paar Beispiele zu nennen) den Posten kosten. Aber was soll man von einem Personal erwarten, gegen dessen Chef, den Ministerpräsidenten, eine jahrelang verschleppte Anklage läuft, weil er von den illegalen Spendengeldern für seine Partei persönlich profitiert haben soll durch jährliche „Boni“ für seine Parteiarbeit? Gerhard Schröder muss heute noch Spott ertragen, weil er Putin mal als „lupenreinen Demokrat“ bezeichnet hat. Alle die immer noch das spanische Absurdistan als eine „bewährte europäische Demokratie“ immer noch loben, werden eines Tages auch mit ähnlichen Spott rechnen müssen.

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