Die Ultrarechte war immer da
In den vorigen Artikel hatte ich spätere Kommentare angekündigt über das Ergebnis der spanischen Wahlen und über den Einfall der ultrarechten Partei Vox in die Reihen des spanischen Parlamentes. Nichts, was ich über die Wahlen schreiben könnte, dürfte aber besser und eindringlicher sein als dieser Artikel von Prof. Dr. Axel Schönberger:
Es erübrigen sich weitere Kommentare dazu.
Was die spanische Ultrarechte betrifft, konnte der meteorhafte Aufstieg von Vox nur eine Überraschung für diejenigen sein (und in Ausland sind es viele), die die spanischen Märchen der „beispielhaften Demokratie“ gutgläubig geschluckt haben. Die Ultrarechte ist in den ganzen Jahren nach Franco immer präsent gewesen. An der Redaktion der spanischen Verfassung war sie schon beteiligt, und durch einen Ultimatum der Militärs hat sie damals erreicht, dass einige Artikel in die Verfassung eingebracht wurden, die heute noch eine vernünftige Lösung der größten Probleme des Staates verhindern.
Aber nicht nur im Fall der Verfassung kann man das Überleben mancher Strukturen der Francozeit feststellen. Wie der Journalist Andreu Barnils daran erinnert hat. gibt es ein anderes sehr klares Beispiel. In der Francozeit erfolgte die Verfolgung von Andersdenkenden meistens durch das berüchtigte sogenannte Gericht für Öffentliche Ordnung (Tribunal de Orden Público, TOP). Infolge der Massnahmen die gedacht waren um wenigstens den Anschein einer Demokratisierung des Landes zu wahren, wurde TOP am 4. Januar 1977 aufgelöst. Am selben Tag wurde die neue National Audienz, ein Obergericht für besonders gravierende Verbrechen, gegründet. Die startete ihre Arbeit aber in demselben Gebäude, mit demselben Personal und fast allen bisherigen Richtern de TOP. Wie die spanische Redewendung sagt: dieselbe Hunde mit neuen Halsbändern.
Dieses Überleben der Ultrarechte geschah unter dem Schirm der konservativen Parteien, in deren Reihen sie überwintern konnte. Deswegen ist es sehr naiv zu sagen, wie einige Journalisten es auch in Deutschland tun, dass niemand es für möglich gehalten hätte, dass in Spanien so eine rechtsextreme Partei so schnell so erfolgreich hätte werden können. Und es ist erst recht irreführend, die jetzige Erscheinung einer Partei, die selbst von sich sagt nicht demokratisch zu sein, den Konflikt mit Katalonien anzulasten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Der spanische Ultranationalismus, der so repräsentiert bei den rechten wie bei der Linken ist, hat in den letzten 15 bis 20 Jahren immer mehr versucht, die katalanische Autonomie auszuhöhlen. Diesen Prozess habe ich in diesen Seiten wiederholt ausreichend dokumentiert. Die Zertrümmerung des katalanischen Autonomiestatuts durch das spanische Verfassungsgericht im Jahre 2010 war (wie bekannt) der letzten Tropfen, welcher der Fass zum überlaufen brachte. Die Reaktion der Katalanen, die nicht mehr brav wie immer kuschen wollten, hat die spanischen Parteien überrascht und erbost, und ihre Sprache radikalisierte sich immer mehr. Vox ist das Ergebnis davon.
Ein renommierter katalanischer Gelehrte hat es meisterhaft zusammengefasst. Joan Ramon Resina (Barcelona, 1956) ist nicht irgendein bedeutungsloser Jemand sondern hat einen ausgezeichneten internationalen Ruf. Mit Doktortiteln der Universitäten Berkeley und Barcelona, war früher Dozent für romanische Studien an der Cornell University, und jetzt ist er Leiter des Programms für iberische Studien an der Stanford University.
In einem Artikel beim katalanischen Portal Vilaweb („Nationalismus als Zuflucht der Unfähigen“) ( https://www.vilaweb.cat/noticies/nacionalisme-recurs-ineptes-joan-ramon-resina/ ) geißelt er den spanischen unversöhnlichen Nationalismus. Unter anderem sagt er:
„…Spanien, mehr als jeder andere Staat des Westens, einschließlich Frankreich macht eine auf Prinzipien fundierte Politik, unfähig die Politik als Verhandlung, Pakt und Respekt für die übernommenen Verpflichtungen zu betrachten. Es ist einerlei ob diese Prinzipien Religion, Sprache, Monarchie, Einheit oder Verfassung heißen.. Was es zu einem Prinzip werden lässt ist die Unversöhnlichkeit, die in jedem Pakt einen Verrat sieht…
… Spanien, gewordenes Vollmitglied einer transnationalen Gemeinschaft, erzeug letzten Endes Skandale in mannigfacher Form. Das katalanische Volk bei den Wahlurnen angreifen, mit einer in einem demokratischer Staat nie gesehenen Gewalt. Die Ultrarechte bei ihren -keineswegs spontanen- Aktionen zu ermutigen. Mitglieder einer gewählter Regierung aus ihren Ämter abzusetzen und ins Gefängnis stecken. Mit willkürlich geschickten und zurückgenommenen Auslieferungsanträgen ohne jede Grundlage. Mit dem Versuch Gerichte in anderen Staaten zu beeinflussen, wo die Justiz wirklich unabhängig ist, und sie dann zu beschimpfen. Mit illegalen Aktionen der Polizei außerhalb des Landes. Untersuchungshaft verhängend ohne jedes plausibles Kriterium. Die politischen Rechte den Inhaftierten und Exilierten verweigernd. Mit schweren Verletzungen der Meinungsfreiheit. Einen politischen Skandalprozess anzufangen, in welchem viele Beweismitteln und Zeugen abgelehnt werden, und die Arbeit der Verteidigung in groben Form beschränkt wird. Mit dem Meineid als Programm, und immer wieder zeigend, dass trotz der unterschriebenen und ratifizierten Pakte Spanien den universalen Rechten keine Autorität anerkennt, wenn diese die spanischen Plänen durchkreuzen. Und mit der Drohung lieber die Europäische Union zu verlassen als in der katalanischen Frage nachzugeben…“
Die Demokratie wie sie, zum Beispiel in Deutschland, normalerweise verstanden wird ist etwas ganz anderes und hat nichts zu tun mit dieser so „beispielhaften“ spanischen Version davon. Eine Version, die nicht alle brachialen Methoden der Franco Diktatur ausweist, aber vieles davon in versteckter, bemäntelter Form beibehalten hat. Auch wenn immer noch so viele Journalisten und naiver Beobachter es nicht wahr haben wollen.